Die Abiturientin Paula Oberndorfer, die damals auch in diesem Forum nach Informationen suchte, hat Ende 2004 eine Facharbeit zum Thema Reproduktionsmedizin geschrieben, die auch mit der Bestnote belohnt wurde.
Mir gefiel besonders der folgende Ausschnitt, den ich mit ihrem Einverständnis hier reinsetzen darf:
2.3 Die Wandlung der Wahrnehmung der Reproduktionsmedizin in der Öffentlichkeit
Die sich immer schneller und weiter entwickelnden Techniken der Reproduktionsmedizin verursachten von 1978 bis heute äußerst kontroverse Debatten, an der sich weite Teile der Gesellschaft beteiligten. Dadurch dass sich eine breite Schicht in der Bevölkerung mit den Problemen die sich aus den neuen Techniken ergaben auseinandersetzte, lässt sich die Entwicklung der von den verschiedenen Interessengruppen (Frauenrechtlerinnen, Parteien, Gewerkschaften, Ärzte und Wissenschaftler, religiöse Vertreter, Eltern, Juristen etc.) vertretenen Ansichten recht anschaulich in den Medien verfolgen.
Obwohl der britische Forscher Robert Edwards schon seit Anfang der 60er Jahre Experimente zur künstlichen Befruchtung durchführte (über 80 Versuche scheiterten, über 200 Embryonen wurden „verbraucht“), geriet das Thema erst am 25. Juli 1987 um 23.47 Uhr mit einem Schlag ins Licht der Medien und der Öffentlichkeit. An diesem Tag wurde in Oldham, Großbritannien, das erste, außerhalb der Mutterleibes gezeugte Kind, Louise Brown geboren. Nur die britische Zeitung „Daily Mail“ war autorisiert, die Mutter Lesley Brown zu interviewen, diese Zeitung hatte am meisten Geld für die Exklusivrechte geboten (325 000 Pfung, damals: 1,2 Millionen Mark), was zeigt, dass das Medienspektakel durchaus gewinnbringend geplant war. Sie berichtete vor allem über die „überglücklichen Eltern“ und veröffentlichte erste Photos von Louise. Das „größte Wunder der Medizin“ (BILD-Zeitung) oder die „wissenschaftliche Sensation“(MAINPOST) gelang dem Gynäkologen Patrick Streptoe und dem Wissenschaftler Robert Edwards.
Die unmittelbare Bewertung der Ereignisse am 29. Juli 1978 fiel höchst unterschiedlich aus: Amerikanische Gynäkologen und Wissenschaftler wie Landrum Shettles reagierten gelassen und wenig überrascht, da ihnen bekannt war, dass bereits 16 Jahre zuvor künstliche Befruchtungen dieser Art durchgeführt wurden, diese Experimente aber von den ethischen Ausschüssen der Hospitäler gestoppt wurden. In Deutschland ist die Reaktion von Forschern wie dem Privatdozenten Frank Lehmann misstrauischer. Sie beklagen, es fehlten „handfeste, wissenschaftliche abgesicherte Beweise dafür, daß die sensationelle Geburt des offensichtlich gesunden Mädchens nach über zwölf Jahren intensiven Anstrengungen und mehreren 100 gescheiterten Versuchen von Dr. Streptoe nicht lediglich ein glücklicher Zufall“ war. Selbst ein überzeugter Verfechter der Gentechnik, der Nobel-Preisträger James Watson verurteilt die vorausgehenden Versuche und das Ergebnis. Für ihn und viele andere sind die Embryonenverluste gleichbedeutend mit Kindstötungen.
Deutsche Politiker fragen vor Allem nach der Vereinbarkeit eines solchen Vorgangs mit dem Sittengesetzt (Inge Donnepp (SPD)) und fordern Regelungen des Staates.
Eindeutig ist dagegen die Beurteilung durch die katholische Kirche. Der damalige Vatikan-Sprecher Don Pier Franco Pastore äußerst zu dem Thema, dass nach dem Papst jede Art der künstlichen Verhütung oder der künstlichen Befruchtung „gegen das Gesetz der Natur“ und weiterhin „im Gegensatz zum Recht von Heirat und Moral“ stehe. Der schottische Kardinal und Erzbischof Gordon Gray betont ebenfalls, dass er „ernste Bedenken“ habe gegen diese „künstliche Methode“. Im Gegensatz dazu kann sich die evangelische Kirche nicht sofort auf einen Standpunkt einigen, fest stehe, dass es sich um ein „zu großes Problem“ handle über das zunächst der Rat der EKD beraten müsse.
Überraschend aufgeschlossen zeigen sich Moslem-Führer aus Ägypten. Sie stellen fest, dass aus religiösen Gründen nichts gegen eine künstliche Befruchtung und Geburt spreche, unter der Vorraussetzung, dass der Vater des Kindes feststehe und die Rechte des Kindes gesichert seien.
Neben positiven Wertungen durch die deutschen Medien wie „Hoffnung für Millionen unfruchtbarer Frauen“ (STERN zitiert in EMMA) oder „Hoffnung für alle Frauen, die unbedingt ein Kind von ihrem Mann möchten“ (der Gynäkologe Thomson im SPIEGEL, zitiert in EMMA), betonen Kritiker oft die Tatsache, dass die Browns viel Geld für die Befruchtung ausgaben ohne sich deren experimentellen Charakters bewusst zu sein: „Ich dachte einfach, da hätte es schon hundertmal gegeben, dass Kinder geboren wurden, die außerhalb des Mutterleibs empfangen worden waren.“ (Sue Freeman: Our Miracle Calles Louise. New York 1979: 106).
Als ebenfalls äußerst misstrauisch erweist sich von Anfang an die feministische Bewegung, die ab 1978 bis Ende der 80iger die Neuerungen in der Fortpflanzungstechnik immer entschiedener abgelehnt hat. Bereits kurz nach der Geburt Louises äußert sich Alice Schwarzer in einem Artikel der Zeitschrift Emma eher skeptisch zur Fortpflanzungsmedizin: Sie kritisiert zunächst die frauenfeindliche Ideologien die hinter der neuen Technik stünden, „die Ideologie vom Paar, von der Mutterschaft als Krönung eines Frauenlebens und vom eigenem Kind“. Die Fortschritte führten zu einer „verstärkten Festlegung der Frau auf die Mutterrolle“ und es bestehe die Gefahr dass angesichts des finanziellen, körperlichen und psychischen Aufwands wiedereinmal „die Frauen die Dummen“ seien. Scharf verurteilt die Frauenbewegung auch zu diesem Zeitpunkt schon die Möglichkeit der Leihmutterschaft als „Gipfel der Benutzung und Ausbeutung“. Jedoch äußert Alice Schwarzer selbst „keine strikte Gegnerin“ der künstlichen Befruchtung zu sein. Von diesem Zeitpunkt an beginnen Feministinnen in ganz Deutschland den Widerstand gegen die Reproduktionstechnologien zu organisieren und auszuweiten. 1984 gründet sich aus Wissenschaftlerinnen die internationale Frauengruppe FINRRAGE (Feministisches internationales Netzwerk des Widerstandes gegen Gen- und Reprodukionstechnologien) sowie das Gen-Archiv in Essen. Beide stehen der Fortpflanzungstechnik äußerst kritisch gegenüber. 1985 findet dann der erste Kongress „Frauen gegen Gentechnik und Reproduktionstechnologie“ der den Boykott solcher Techniken fordert. Frauen kritisieren die Möglichkeiten der Selektion von Embryonen, das Modell der Leihmutterschaft, physischen, psychischen und finanziellen Belastungen für die Frau im Vergleich zur Erfolgsrate und vor allem aber das Potential der „Reproindustrie“, „die Kolonisierung und Ausbeutung von Frauen in einem ungeahntem Maße zu verstärken“. Sie fürchten „die Unterdrückung aller Frauen“, da kinderlose Frauen als unvollkommen und funktionslos dargestellt und dadurch zur IVF genötigt würden. Hinter der „heuchlerischen Wohltätigkeitsmentalität“ der behandelnden Ärzte („Technodocs“ / „in-vitro Labor-Väter“) stünde - so die Biologien Renate Duelli Klein in der EMMA - „der patriarchale Wunsch „Gott“ zu spielen“, eine „Vergewaltigungsmentalität“ und der Kapitalismus. Frauen würden daher als „Muttermaschinen, Zuchtkühe, Retortenfrauen“ missbraucht, die Entwicklungen auf dem Gebiete der Reproduktionstechnologien seien charakteristisch für „die totale Missachtung und Verachtung von Frauenleben“. Diesen in der EMMA geäußerten
Ansichten schloss sich die Redaktion der BRIGITTE in gemäßigterer Form im Laufe der 80iger mehrmals an. Auch hier wird das Bild der Frauen als „Zuchtkühe, Legehennen und lebende Brutkästen“ sowie die Leihmutterschaft scharf kritisiert. Die neuste Technik der Reproduktionsmedizin, die Kryokonservierung (seit 1984) wird als „Horrorvision“ verurteilt, auch herrscht Angst vor einem möglichen Missbrauch der Techniken vor, die zu Selektionen und großen Belastungen für die Frauen führen. Die Herstellung von „Klonkindern“ (BRIGITTE) und „Menschenzucht“ (BRIGITTE) zählen noch zu kühnen, es herrscht jedoch Angst vor einem „genetischem Hiroshima“ (der Freiburger Ethiker und Strafrechtler Professor Dr. Albin Eser). Am weitgehend negativen Bild der Reproduktionsmedizin in der Öffentlichkeit sind in erster Linie die in regelmäßigen Abständen erscheinenden Schlagzeilen, die zeigen, welche Konsequenzen eine unkontrolliert angewendete Technik haben kann. So sorgt 1987 ein italienischer Gynäkologe für Aufregung, als er befruchtete Eizellen in eine Gebärmutter, die er vorher einer Frau operativ entnommen hatte, übertrug. Im gleichen Jahr bringt eine US-Amerikanerin nach einer IVF ihre eigenen Enkel zur Welt, da ihre Tochter keine Gebärmutter mehr besaß. Auch spektakuläre Gerichtsprozesse im Rahmen von Leihmutterschaften oder Sorgerechtsstreitigkeiten um Embryonen sorgen im Laufe der 80iger dafür dass die Bevölkerung der Fortpflanzungsmedizin kritisch gegenübersteht. Auch seriöse Zeitungen wie die ZEIT oder die FAZ schließen sich der Kritik an. Sie verweisen auf die „ungeheuren Statistiklügen“ (ZEIT) im Bezug auf die Erfolgsraten, auf die ethischen Probleme die sich aus der Leihmutterschaft und dem „Verbrauch“ von Embryonen ergeben, die Rechte der Frauen und die Angst vor Selektionen der Embryonen. In der FAZ wird die Meinung vieler Konservativer wiedergegeben, die fordern, dass die Ehe und die Einheit von genetischer und sozialer Elternschaft die Voraussetzungen für eine künstliche Befruchtung welcher Art auch immer darstellen um einen „Ehebruch im Reagenzglas“ zu verhindern. Es gerät jedoch im Laufe der 80iger immer mehr die Situation der kinderlosen Ehepaare in den Blickpunkt, für die zunehmend Verständnis aufgebracht wird. So fragt beispielsweise der Präsident des Oberlandesgericht Braunschweig 1986 in der Frankfurter Rundschau, „was den Gesetzgeber eigentlich dazu legitimiert, verantwortlichen Menschen, die sich Kinder wünschen, das Glück, Kinder zu haben, durch Rechtvorschriften vorzuenthalten.“ Sogar die kritische FAZ äußert 1985: „Vor wenigen Jahren galten Begriffen wie „Leihmutter“, „tiefgefrorene Embryonen“ oder „Samenbank“ noch als Horrorgespinste; (...) Heute wird darüber höchstens noch gelächelt. Soll ein Heilverfahren unsittlich sein?“
Neben all diesen kritischen Stimmen existiert in den 80igern auch eine starke Gruppe die sich für die Fortpflanzungsmedizin einsetzt und dieser fördert. Hierbei handelt es sich in erster Linie um die Bundesärtztekammer (BÄK), Max-Planck-Gesellschaft, Deutsche Forschungsgesellschaft und einzelner Wissenschaftler. So begrüßt der 88. Deutsche Ärztetag 1985 dass „bei der Entwicklung der IvF das Leben einer begrenzten Anzahl von Embryonen geopfert wurde“ und stellt fest, dass daraus „in wenigen Jahren mehrtausendfaches Leben entstanden“ ist. Es wird von dieser Seite aus argumentiert, dass die Embryonen geopfert würden um einer großen Zahl von Menschen medizinsch zu helfen. Zu den festgesetzten Zielen der BÄK gehört 1987 unter anderem die Optimierung der IvF-Methode sowie „die Verbesserung von Methoden zum Erkennen genetischer Defekte vor der Implantation“. Zu den Prinzipien der BÄK gehört jedoch seit 1988 („Richtlinien zur Durchführung der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfert und der intratubaren Gameten- und Embryotransfers“) dass „grundsätzlich (...) alle diese Methoden nur bei Ehepaaren anzuwenden“ sind. Streptoe selbst, äußert 1986, dass der wichtigste Anwendungsbereich der Reproduktionsmedizin nicht die Behandlung von Unfruchtbarkeit bleibe sondern die Ausschöpfung der Möglichkeiten zu Verhinderung genetischer Krankheiten, was zeigt, dass die Bedenken der Kritiker bezügliche der Möglichkeit Embryonen zu selektieren, nicht unbegründet gewesen sind.
In der Politik fällt die Einigung innerhalb der Parteien und somit die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes schwer.
Die Grünen treten Anfang der 80iger noch für ein Verbot aller außerkörperlichen Befruchtungsmethoden ein, rücken jedoch im Laufe des Jahrzehnts davon ab, da ein strafrechtliches Verbot der Technologie politisch nicht mehr durchzusetzen ist (Von 1982-1988 bereits 14 400 Punktionen). In der SPD steht man der neuen Technik grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, es wird jedoch betont, dass Möglichkeiten des Missbrauchs ausgeschlossen werden müssten: „Wir haben hier bestenfalls eine Möglichkeit, bei bestimmten medizinischen Indikationen eine bestimmte körperliche Störung zu überwinden. Schlimmstenfalls aber haben wir eine Technik zu Qualitätskontrolle von Kindern.“(Joachim Spangenberg, SPD-Bundestagsfraktion). Der DGB beschließt 1986 auf dem 13. Ordentlichem Bundeskongress eigene Grundsätze zum Thema „menschlicher Fruchtbarkeitstechnologie“. Es werden umgehende Maßnahmen vom Gesetzgeber gefordert, damit „ein Geschäft mit der menschlichen Fruchtbarkeit verhindert wird“. Grundsätzlich haben die Gewerkschaften gegen die extrakorporale Befruchtung jedoch keine Bedenken. Auch Union und Liberale sind sich einig darin, dass die künstliche Befruchtung grundsätzlich zuzulassen ist. Strittig ist jedoch in welcher Beziehung die an der Befruchtung Beteiligten stehen sollten. Unionsregierte Länder (vor allem Bayern) sehen „das Wohl der Familie bei künstlicher Befruchtung außerhalb der Ehe so erheblich gefährdet, daß sie die Anwendung des Strafrechts auch in diesem Punkt für angebracht “ halten(ZEIT). Die FDP hält es jedoch für unzulässig in dieser Form in die Intimsphäre der Beteiligten einzugreifen. 1983 wird die sogenannte „Benda-Kommission“ einberufen, eine Arbeitsgruppe zum Thema „Forschung und Technologie“, welche einen Gesetzentwurf zur Reproduktionstechnologie erarbeiten sollte. Sie empfiehlt 1985 unter anderem, die Erzeugung von menschlichen Embryonen zu Forschungs- und Handelszwecken zu verbieten.
1985 publiziert die Evangelische Kirche ein Dokument, „eine Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland zur ethischen Urteilsbildung“, in dem sie argumentiert, dass durch die IvF der Zusammenhang von Liebe, Zeugung und Geburt aufgelöst wird und die verwendeten finanziellen Mittel nicht zur Behebung von Not zur Verfügung stehen. Aus ethischer und religiöser Sicht sei die homologe extrakorporale Befruchtung aber dennoch gestattet, wenn sie innerhalb einer Ehe und nach der Ausschöpfung sämtlicher anderer Mittel stattfindet, Embryonen dürften jedoch nicht vernichtet werden.
1987 veröffentlicht dann die katholische Kirche unter dem Namen „Donum vitae“ erneut eine Stellungnahme zur Reproduktionsmedizin. In diesem Dokument bekräftigt die Kirche in erster Linie die 1987 geäußerten Ansichten, sie verurteil die Verfahren der künstlichen Befruchtung da sie eine Trennung der Einheit des ehelichen Liebesaktes und der Fortpflanzung darstellt - aus dem gleichen Grund werden in diesem Dokument auch Verhütungsmittel abermals untersagt.
1989 gibt der Ökonomische Rat der Kirchen einer Erklärung zur Biotechnik heraus, in der jedoch lediglich ein Verbot der Embryonenforschung und der Leihmutterschaft sowie Zurückhaltung in der Anwendung von Techniken der künstlichen Befruchtung angemahnt wird.
1991 reagiert der Gesetzgeber mit dem „Embryonenschutzgesetz“ schließlich auf die Forderungen nach einer Regelung. Nach diesem Gesetz ist Insemination, IVF (mit Übertragung von maximal drei Embryonen), ICSI und Kryokonservierung im Vorkernstadium erlaubt, verboten ist das Klonen und Selektieren der Embryonen nach Geschlecht, die Verwendung fremder Eizellen, die Herstellung von Chimären (Mischwesen aus Mensch und Tier), sowie die Leihmutterschaft. (Anmerkung: die Selektion überhaupt ist verboten, darunter fällt auch die mittels PID) Kritiker und Befürworter sehen in diesem Gesetz am Anfang der 90iger keine echt Hilfe, es „vermittle nichts anderes als eine Scheinsicherheit“ (ZEIT). Im vergleich zu der Tatsache, dass einfache Samenübertragung Anfang der 60iger noch unter Strafe gestellt werden sollte, macht sich durch dieses Gesetz doch ein erheblicher Sinneswandel bemerkbar.
Unabhängig von diesem Gesetz reißen in den 90igern die Schlagzeilen zur Reproduktionsmedizin nicht ab. So bleibt die Kritik der Frauenvertretungen und Frauenzeitschriften zunächst bestehen, sie stellt jedoch andere Argumente in den Vordergrund. Betont wird Anfang der 90iger nicht mehr primär eine frauenfeindliche Ideologie und die „Ausbeutung der Frau“ durch die Reproduktionstechnologien, sondern die enormen körperlichen, finanziellen und vor allem psychischen Strapazen die eine solche Behandlung mit sich bringt. So berichtet die BRIGITTE 1992 in einer Reportage über ein amerikanisches IvF-Zentrum von dem unbegrenzten „Machbarkeitswahn“, von den Ängsten, Hoffnungen und extremen Enttäuschungen der Patientinnen die sich durch „ein langes, quälendes Fruchtbarkeitsritual“ zwingen. Von Seiten der Frauen wird deshalb verstärkt gefordert, auf die psychischen Ursachen der Kinderlosigkeit einzugehen und den Einsatz der Fortpflanzungs-Medizin einzuschränken. Ein Großteil der Frauengruppen, die sich gegen die Reproduktionsmedizin engagierten, lösen sich Anfang der 90iger auf. Neben vielen anderen Gründen mag die Tatsache, dass die Techniken immer mehr begeisterte „Nutzerinnen“ findet, von Bedeutung sein. Neue Gruppierungen wie beispielsweise „Cara“ beschäftigen sich jetzt primär mit unabhängiger Beratung zur Pränatal- beziehungsweise Präimplantationstechnik. Dafür gerät ein neuer Bereich der Reproduktionsmedizin immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit, das reproduktive Klonen. Mit der Begründung, sterilen Frauen helfen zu wollen, stellt der Wissenschaftler Jerry Hall in den USA erstmals „künstliche Zwillinge“ her, indem er Embryonen im totipotenten Stadium teilt, daher kloniert. Ziel ist, einen der beiden Embryonen einzufrieren und den anderen einzupflanzen um später möglicherweise seinen Zwilling wachsen zu lassen, beispielsweise als Organspender. Dieser Vorgang löst weltweit Proteste aus.
Ähnlich wie bei der Geburt von Louise Brown, löst die Existenz des ersten Klons eines erwachsenen Säugetieres, Dolly, ein Medienspektakel und kontroverse Debatten aus.
Was am 24. Februar 1997 mit einer kleinen Meldung unter der Rubrik „kurz & bündig“ im Schweinfurter Tagblatt („Schaf geklont“) beginnt, ist bereits zwei Tage später auf allen Titelseiten. Die Nachricht dass ein Schaf seinen eigenen Klon zur Welt gebracht hat, „schockiert Laien und Experten“ (Schweinfurter Tagblatt). Sofort entwickeln sich in der Öffentlichkeit Ängste über geklonte Arbeiter, Armeen und kopierte Menschen (Schweinfurter Tagblatt). In der Politik sind die Reaktionen weitgehend misstrauisch: Mit dem Klonen, „als sehr besorgniserregendes Thema“(Bill Clinton, zitiert in Schweinfurter Tagblatt), müsse sehr verantwortungsvoll umgegangen werden, fordern deutsche Politiker. „Den geklonten Menschen darf und wird es niemals geben“ (damalier Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) zitiert in SW-Tagblatt). Noch am selben Tag, verurteilen die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche Deutschlands das Klonen als verbotenen Eingriff in die Schöpfung.
Auch Vertreter von Wissenschaft und Forschung, distanzieren sich öffentlich eindeutig von der Möglichkeit, Menschen zu klonieren: Ein solcher Vorgang sei ein „Frevel wider die Natur und gegen die Menschenwürde“ (Präsident der BÄK, Karsten Vilmar, zitiert in Schweinfurter Tagblatt). Jedoch räumen die Wissenschaftler auch ein, „was bei Schafen und Affen funktioniert hat, ließe sich problemlos auf alle Tierarten und den Menschen übertragen“.( Genetiker Arfred Pühler, im SW.Taglbatt)
Nachdem am 3. März bekannt wird, dass in den USA bereits ein Primat geklont wurde, fordern deutsche Politiker und Juristen wie der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda (CDU) umso nachdrücklicher ein internationales Klonverbot.
Den in diesem Zeitraum veröffentlichten Standpunkten lässt sich entnehmen, dass es den Wissenschaftlern nicht gelingt, die Befürchtungen der Menschen zu zerstreuen. Es wird der massive Missbrauch der neuen Technik durch „die Ghadafis und Saddam Husseins“ (Standpunkt SW-Tagblatt) im „Wahn des Machbaren“ (sieh vorheriges zitat) befürchtet und abgelehnt. Auch Tierschützer wie beispielsweise die Organisation „Menschen für die ethische Behandlung von Tieren“ kritisieren das Klonen von Tieren, sie fürchten, dass Tiere als bloße Produkte der „industriellen Fleischproduktion“ (SW_TAGBLATT) angesehen würden.
Schon wenige Monate nach der Vorstellung von Dolly, beginnen Wissenschaftler sich von der allgemeinen Ablehnung des Klonens zu distanzieren. Prominente Forscher wie beispielsweise der Nobelpreisträger Francis Crick unterzeichnen die „Erklärung zu Verteidigung des Klonens“, die heute noch im Internet zu lesen ist (http://www.secularhumanism.org/library/ ... _17_3.html). Darin wird geäußert, dass beim Klonen höherer Wesen inklusive des Menschen keine wirklich schwerwiegenden ethischen Probleme bestünden, es gebe jedoch „die Gefahr, daß Forschung mit enormem potentiellen Nutzen nur deshalb unterdrückt wird, weil sie mit den religiösen Vorstellungen mancher Leute in Konflikt steht“ (zitiert in ZEIT).
Die ZEIT stellt 1998 schließlich fest, „das Klonen von Menschen durchlaufe derzeit im Eilmarsch jene Akzeptanzphasen von Fortpflanzungstechniken, welche die Forscher Sophia Kleegman und Sherwin Kaufman schon dreißig Jahren erkannt hatten: entsetzte Ablehnung, Ablehnung ohne Entsetzten, tastende Neugier, Erforschung und schließlich langsame, aber stetige Zustimmung.“(ZEIT) Schon versichern Forscher in den Medien öffentlich: „Das Klonen von Menschen ist nicht zu stoppen“ (ZEIT) und „wenn erst einmal ein halbes Dutzend Klone glücklich und gesund über den Bildschirm springen, dann werden die Leute begeistert sein.“ (ZEIT).
1999 ist die „Retortenzeugung (...) Fortpflanzungsalltag geworden“ (EMMA) und Fachleute äußern, „fünf Jahre nach Dolly - wird die Klonierung eines Menschen zum realen Angebot der Reproduktionsmedizin gehören.“ Frauenzeitschriften wie die EMMA kritisieren die Entwicklung der zunehmenden Toleranz für das reproduktive Klonen. Unternehmen wie Clonaid (gegründet 1997) die im Internet „new cloning services“(zitiert in EMMA) anbieten, das heißt die Herstellung eines Klon-Kindes für 200.000 Dollar, werden scharf angegriffen. In Vordergrund stehen dabei die Rechte des Kindes, welches ein älteres genetisches Ebenbild besitzen und deshalb niemals das Privileg der Einzigartigkeit erfahren würde.
Als 2001 nachgewiesen wurde, dass bei Eiplasmatransfer, erstmals keimbahnmanipulierte Kinder entstanden waren, verursacht dies erneut eine hitzige Debatte. Vertreter der CDU fürchten sogleich „den Beginn der Menschenzüchtung“ (ZEIT). „Genmanipulierte Babys geboren“ (Spiegel, 06.05.2001) lauten die Überschriften, die jedoch lang nicht so hohe Wellen schlagen wie die Geburt Dollys oder Louise Browns.
Im 21. Jahrhundert sind die verbrauchende Embyonenforschung, die Stammzellenforschung und das therapeutische Klonen die Themen, die für Diskussionen sorgen. Die künstliche Befruchtung wird derweilen immer alltäglicher, kaum jemand hat keine Familie im Bekanntenkreis, die eine IvF vorgenommen hat, 50 000 Paare haben im Jahr 2002 versucht mithilfe einer „künstlichen Befruchtung“ welcher Art auch immer Eltern zu werden. Immer wieder sorgen jedoch Schreckensmeldungen für Aufregung, wie beispielsweise die Schlagzeile der Spiegels vom 04. August 2001 „Sekte will Hitler klonen“ oder die Verlautbarungen von Forschergruppen wie die um die Mediziner Severino Antinori und Panayiotis Zavos, dass der Durchbruch beim Klonen von Menschen gelungen sei. Obwohl sich derartiges nie bewahrheitet hat, fürchten die großen Zeitungen ein „böses Erwachen“, würde nicht bald ein internationales Klonverbot in Kraft treten (ZEIT 2003). Die UN erwies sich jedoch nicht als konsensfähig, weswegen eine Konvention bis 2005 vertagt wurde. Zur Debatte trug auch der Tod Dollys bei, das Schaf musste aufgrund einer Arthritis eingeschläfert werden, nachdem die Wissenschaftler bereits 1999 ein Altern von Dollys Zellen bemerkt hatten, welches normalerweise erst bei viel älteren Tieren auftritt.
Die heutige Meinung der Bevölkerung zur Reproduktionsmedizin, zeigt sich sehr eindeutig an einer Umfrage im Jahre 2004 mit dem Titel „Die Einstellung der Deutschen zur Reproduktionsmedizin und Prägimplantationsdiagnostik“, die von Professor Dr. Elmar Brähler und Dr. Yve Ströbel-Richter durchgeführt wurde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass abhängig vom Lebensalter 10-30% der Befragten kinderlos sind und die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin (zum Beispiel die Erfolgsraten) meist überschätzt werden. Frauen zeigen ein gesteigertes Wissen und Interesse an der Thematik als Männer. Gleichzeitig würden 33% der Befragten einen reproduktionsmedizinische Maßnahmen durchführen lassen, bei 1,3% ist dies bereits geschehen. 50% meinen sogar, dass ungewollt Kinderlose alle die zur Verfügung stehenden Techniken nutzen sollten um eigene Kinder zu bekommen. Leihmutterschaft und Eizellenspende werden mit knapper Mehrheit verneint, reproduktives Klonen wird jedoch von einer überwältigenden Mehrheit von 83% abgelehnt.
Sogar in den Frauenzeitschriften wie der EMMA, die die IVF vehement abgelehnt haben, veröffentlichen 2002 Artikel in denen die IvF und sogar die Präimplantationsdiagnostik befürwortet wird. Die künstliche Befruchtung ist für die Autorinnen gar nicht mehr „künstlich“, sondern „gut für die, die dadurch ihre Probleme, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, umgangen haben.“ (EMMA 2002) Kritisiert wird höchstens noch, dass die „Retortenzeugung als seelisch und gesundheitlich extrem belastend“ (EMMA 2002) erlebt werden kann. Auch zahlreiche Websites wie www.wunschkinder.de und Vereine wie „Wunschkind e.V.“ zeigen, dass die Reproduktionsmedizin heute von einer breiten Schicht in der Bevölkerung gefördert und genutzt wird.
Abschließend lässt sich sagen, dass Techniken wie die Insemination, GIFT oder IvF abgesehen von der katholischen Kirche weitgehend akzeptiert und befürwortet werden. Das reproduktive Klonen jedoch wird abgelehnt und Meldungen wie am 13.08.04 über Versuche an geklonten menschlichen Embryonen, lösen immer noch „Besorgnis und Kritik“ (SW-TAGBLATT) aus und zwar sowohl bei Parteien und Kirchen, wie auch bei der Ärzteschaft.
Ad blocker detected: Our website is made possible by displaying online advertisements to our visitors. Please consider supporting us by disabling your ad blocker on our website.
Die Wandlung d. Wahrnehmung d. Repro-med. in d. Öffentlichk.
In diesem Ordner sollen Studien zur Reproduktionsmedizin gesammelt werden.
Zurück zu „Forschungsergebnisse zur Reproduktionsmedizin“
Gehe zu
- Allgemeines
- ↳ Ich bin neu hier
- ↳ Treffen, Aktionen & Veranstaltungen
- ↳ Presse, Medien, Seminare/Webinare
- ↳ Kinderwunsch-Kliniken
- Forum intern
- ↳ Forums-Technik, Bedienung & Unterstützung
- Medizinischer bzw. betreuter Bereich
- ↳ Fragen an den Repromediziner
- ↳ Fragen an Dr. Peet rund um die Eizellspende - Barcelona - Instituto Marquès
- ↳ Fragen an die Biologin
- ↳ Fragen an die Kinderwunschklinik Barcelona IVF
- ↳ Fragen an die Klinik ivf-spain Madrid
- ↳ EggDonationFriends - Webinare und Infos
- ↳ Eizellspende-Seminare
- ↳ Fragen an die Pädagogin
- ↳ Fragen an den Homöopathen
- ↳ Fragen an den Andrologen
- ↳ Kostenerstattung GKV und PKV bei klein-putz
- Theorie
- ↳ Akupunktur und Naturheilverfahren
- ↳ Schilddrüse
- ↳ Forschungsergebnisse zur Reproduktionsmedizin
- ↳ Immunologisches / Blutwerte
- Kinderwunsch
- ↳ Fragen und Antworten für Neueinsteiger
- ↳ Rund um den Kinderwunsch
- ↳ Medikamente beim KiWu
- ↳ Erfahrungen und Tipps im Kiwu-Zyklus
- ↳ Ursachen: PCO
- ↳ Ursachen: männliche Infertilität
- ↳ Kostendiskussion
- ↳ Gesundheitsreform und Versorgungsstrukturgesetz
- ↳ Embryonenschutzgesetz
- ↳ Abschied vom Kinderwunsch
- ↳ Sternenkinder
- KiWu-Praxen - für Einsteiger und Wechsler
- ↳ Praxis- und Zentrumsvorstellung
- ↳ Allgemeines
- ↳ Ausland
- ↳ Baden-Württemberg
- ↳ Bayern
- ↳ Berlin
- ↳ Brandenburg
- ↳ Bremen
- ↳ Hamburg
- ↳ Hessen
- ↳ Mecklenburg-Vorpommern
- ↳ Niedersachsen
- ↳ Nordrhein-Westfalen
- ↳ Rheinland-Pfalz
- ↳ Saarland
- ↳ Sachsen
- ↳ Sachsen-Anhalt
- ↳ Schleswig-Holstein
- ↳ Thüringen
- Geschützter Bereich
- ↳ Medikamentenabgabe und -tausch
- ↳ Adoption im In- und Ausland, Pflegekinder
- ↳ Eizellspende
- ↳ Embryonenspende
- ↳ Austausch mit Eizell-/Embryonenspenderinnen/Samenspendern und Leihmutterschaft
- ↳ Kiwu und Translokation
- ↳ Kiwu bei Paaren mit Infektionskrankheiten
- ↳ Krankheiten, Entwicklungsstörungen, Fehlbildungen
- ↳ Psychische Probleme
- ↳ Schwierige Kinder
- Heterologe Insemination
- ↳ Informationen rund um das Thema HI
- ↳ HI - persönlicher Erfahrungsaustausch (geschützt)
- Aufklärung Adoption, Eizellenspende, Heterologe Insemination, Embryonenspende
- ↳ Informationen rund um das Thema Aufklärung
- ↳ Aufklärung Ado, EZS, HI, EmbS - persönlicher Austausch (geschützt)
- (Fast) geschafft...
- ↳ Fragen/Antworten für Neuschwangere
- ↳ Schwanger...
- ↳ Geburtsanzeigen
- ↳ Mamis & Papis
- ↳ Bauen und Renovieren mit Kindern
- ↳ Stillen
- ↳ Tagesmütter und Babysitter
- ↳ Babymenüs
- ↳ Babysachen-Tipps
- ↳ Arbeitsrecht
- Klinikführer
- ↳ Allgemeines
- ↳ Ausland
- ↳ Baden-Württemberg
- ↳ Bayern
- ↳ Berlin
- ↳ Brandenburg
- ↳ Bremen
- ↳ Hamburg
- ↳ Hessen
- ↳ Mecklenburg-Vorpommern
- ↳ Niedersachsen
- ↳ Nordrhein-Westfalen
- ↳ Rheinland-Pfalz
- ↳ Saarland
- ↳ Sachsen
- ↳ Sachsen-Anhalt
- ↳ Schleswig-Holstein
- ↳ Thüringen
- Artikel
- ↳ Allgemein
- ↳ Embryonenschutzgesetz
- Downloads
- ↳ Aktionen
- ↳ Artikel aus Fachzeitschriften
- ↳ Gesundheitsreform 2004
- ↳ Kostenerstattung und Kostenübernahme
- ↳ Medikamente
- ↳ TV-Beiträge
- ↳ Urteile
- ↳ Vitamine
- ↳ Werbung für klein-putz
- Sonstiges
- ↳ Besserwisser-, Plauder- und Witze-Ecke
- ↳ Total anonym
- Buch-, CD-, DVD-, Webseiten-, Kinotipps
- ↳ Bücher
- ↳ CD + CD-ROM
- ↳ DVD / Video / Kino
- ↳ Webseiten
- Rezepte
- ↳ Backen
- ↳ Besondere Ernährung
- ↳ Diät
- ↳ Getränke
- ↳ Kochen
- ↳ Süßspeisen
- Tipps / Hilfe / Beratung
- ↳ Hilfe und Tipps rund um den PC
- ↳ Versicherungen
- ↳ Suche / Biete