Stammzellenforschung: Mailt an euere Wahlkreis-MdBs!

Aktionen, (Leser-) Briefe, TV-Beiträge als Downloads, etc.
Gast

Stammzellenforschung: Mailt an euere Wahlkreis-MdBs!

Beitrag von Gast »

Liebe Forumsmitglieder,
in der letzten Woche hat der Bundestag über die Gruppenanträge für ein neues Stammzellengesetz diskutiert. Die beiden Bundestagsabgeordneten meines Wahlkreises unterstützen einen Antrag, der sich gegen eine Lockerung der Restriktionen ausspricht. Ich habe deswegen eine Mail an die zwei MdBs geschrieben und würde mich freuen, wenn auch andere Forumsschreiber sich an die Abgeordneten ihres Wahlkreises wenden würden. Die Debatte ist noch im Fluss, und es scheint, als wenn möglicherweise die Mehrheitsverhältnisse noch zugunsten einer Lockerung der bisherigen Regelungen kippen könnten.
Wie schon bei meiner Mailaktion an die Grünen-Fraktion (http://www.klein-putz.net/forum/viewtopic.php?t=47782) in der gleichen Sachen werde ich hier die beiden Schreiben sowie die etwaigen Antworten der beiden Abgeordneten einstellen. Wenn ihr auch eine Mail losschickt, dann stellt doch euer Schreiben und die Antworten auch hier ein. Gerne könnt ihr meine Mail als Anregung oder Textvorlage für euere eigenen Schreiben verwenden.

Angemailt werden sollten vor allem diejenigen Abgeordneten, die die beiden „Blockade“-Gesetzesvorlagen unterstützen (wer nicht ganz im Bilde ist - hier eine Zusammenfassung zu den im Bundestag vertretenen Positionen: http://www.rp-online.de/public/article/ ... and/532735).
Folgende Abgeordnete setzen sich für eine Rücknahme der bisherigen Ausnahmeregelung und ein völliges Verbot der embryonalen Stammzellenforschung in Deutschland ein (Gruppenantrag "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit menschlichen embryonalen Stammzellen (Stammzellgesetz – StZG)", Text: http://dip.bundestag.de/btd/16/079/1607983.pdf):
Hubert Hüppe, Marie-Luise Dött, Maria Eichhorn, Dr. Günter Krings, Philipp Mißfelder, Jens Spahn, Peter Weiß (Emmendingen), Peter Albach, Dr. Wolf Bauer, Volker Beck (Köln), Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Cornelia Behm, Veronika Bellmann, Peter Bleser, Alexander Bonde, Wolfgang Bosbach, Michael Brand, Georg Brunnhuber, Gitta Connemann, Leo Dautzenberg, Hubert Deittert, Thomas Dörflinger, Dr. Stephan Eisel, Ingrid Fischbach, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Klaus-Peter Flosbach, Erich G. Fritz, Norbert Geis, Dr. Wolfgang Götzer, Markus Grübel, Manfred Grund, Jürgen Herrmann, Monika Knoche, Norbert Königshofen, Stefan Müller (Erlangen), Henry Nitzsche, Beatrix Philipp, Peter Rauen, Klaus Riegert, Johannes Röring, Franz Romer, Hermann-Josef Scharf, Karl Schiewerling, Dr. Konrad Schily, Dr. Andreas Schockenhoff, Dr. Harald Terpe, Antje Tillmann, Gerald Weiß (Groß-Gerau), Klaus-Peter Willsch, Willy Wimmer (Neuss), Elisabeth Winkelmeier-Becker, Josef Philip Winkler

Folgende Abgeordnete lehnen eine Lockerung der bisherigen Regelungen ab und setzen sich für ein Festhalten an der bisherigen Gesetzgebung ein, derzufolge in Deutschland nur mit älteren embryonalen Stammzellenlinien geforscht werden darf, die vor 2002 im Ausland entstanden sind (Gruppenantrag "Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz –
Adulte Stammzellforschung fördern", Text: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/079/1607985.pdf): Priska Hinz (Herborn), Julia Klöckner, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Hans-Michael Goldmann, Daniela Raab, Jochen Borchert, Fritz Kuhn, Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Dr. Maria Böhmer, Kerstin Andreae, Dorothee Bär, Sabine Bätzing, Volker Beck (Köln), Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Cornelia Behm, Veronika Bellmann, Birgitt Bender, Dr. Axel Berg, Grietje Bettin, Peter Bleser, Alexander Bonde, Wolfgang Bosbach, Michael Brand, Georg Brunnhuber, Cajus Caesar, Gitta Connemann, Hubert Deittert, Ekin Deligöz, Marie-Luise Dött, Dr. Thea Dückert, Maria Eichhorn, Dr. Stephan Eisel, Ilse Falk, Hans-Josef Fell, Elke Ferner, Dr. Maria Flachsbarth, Klaus-Peter Flosbach, Erich G. Fritz, Hans-Joachim Fuchtel, Kai Gehring, Norbert Geis, Dr. Edmund Peter Geisen, Ralf Göbel, Josef Göppel, Katrin Göring-Eckardt, Dr. Wolfgang Götzer, Ute Granold, Reinhard Grindel, Markus Grübel, Wolfgang Gunkel, Heike Hänsel, Anja Hajduk, Michael Hartmann (Wackernheim), Britta Haßelmann, Bettina Herlitzius,Winfried Hermann, Peter Hettlich, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Joachim Hörster, Klaus Hofbauer, Dr. Anton Hofreiter, Franz-Josef Holzenkamp, Thilo Hoppe, Hubert Hüppe, Brunhilde Irber, Andreas Jung (Konstanz), Hans-Werner Kammer, Steffen Kampeter, Ulrich Kasparick, Bernhard Kaster, Volker Kauder, Jürgen Klimke, Monika Knoche, Ute Koczy, Hellmut Königshaus, Norbert Königshofen, Karin Kortmann, Hartmut Koschyk, Sylvia Kotting-Uhl, Jürgen Kucharczyk, Renate Künast, Dr. Hermann Kues, Markus Kurth, Undine Kurth (Quedlinburg), Christine Lambrecht, Monika Lazar, Paul Lehrieder, Dr. Klaus W. Lippold, Dr. Michael Luther, Nicole Maisch, Dr. Michael Meister, Dorothee Menzner, Friedrich Merz, Maria Michalk, Hildegard Müller, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Henry Nitzsche, Michaela Noll, Omid Nouripour, Eduard Oswald, Beatrix Philipp, Brigitte Pothmer, Peter Rauen, Klaus Riegert, Christel Riemann-Hanewinckel, Johannes Röring, Kurt J. Rossmanith, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Christian Ruck, Krista Sager, Anita Schäfer (Saalstadt), Hermann-Josef Scharf, Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Marianne Schieder, Karl Schiewerling, Georg Schirmbeck, Christian Schmidt (Fürth), Dr. Andreas Schockenhoff, Bernhard Schulte-Drüggelte, Reinhard Schultz (Everswinkel), Kurt Segner, Thomas Silberhorn, Johannes Singhammer, Jens Spahn, Rainder Steenblock, Erika Steinbach, Silke Stokar von Neuforn, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Thomas Strobl (Heilbronn), Hans-Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe, Jörn Thießen, Hans Peter Thul, Andrea Astrid Voßhoff, Peter Weiß (Emmendingen), Gerald Weiß (Groß-Gerau), Wolfgang Wieland, Willy Wimmer (Neuss), Elisabeth Winkelmeier-Becker, Josef Philip Winkler, Dr. Wolfgang Wodarg, Jörn Wunderlich, Uta Zapf, Wolfgang Zöller, Willi Zylajew
Manche MdBs, wie z.B. Peter Weiß (CDU, Wahlkreis Emmendingen) oder Josef Winkler (Grüne, Rheinland-Pfalz) dachten sich "Doppelt blockiert hält besser" und haben gleich bei beiden Entwürfen unterschrieben - Winkler hat mir gemailt, dass er nur als Kompromiss die 2002-Regelung unterstützt, aber eigentlich lieber die embryonale Stammzellenforschung ganz verbieten würde.

Falls der oder die MdBs aus euerer Heimatgegend nicht in den oberen beiden Listen enthalten sind, haben sie möglicherweise einen von den beiden Gruppenanträgen unterstützt, der sich für bessere Bedingungen für die Stammzellenforschung in Deutschland einsetzt:
1. Der Antrag "Entwurf eines Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes" von Flach, Stöckel, Reiche, Hintze u.a. (insgesamt 92 Unterstützer, Text mit Namensliste: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/079/1607982.pdf), der für eine Abschaffung der bisherigen Beschränkungen eintritt.
2. Der Antrag "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes" von Röspel, Aigner, Tauss, Rachel u.a. (insgesamt 185 Unterstützer, Text mit Namensliste: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/079/1607981.pdf) der zumindest den Stichtag für den Import ausländischer Stammzellenlinien auf den 1.5.2007 verschieben will.

Also – falls euere Wahlkreisabgeordneten ebenso wie meine zu den Blockierern der Stammzellenforschung gehören, und euch das auch ärgert, dann macht doch einfach mit und schreibt auch eine Mail! Bundestagsabgeordnete haben alle einen Mailaccount auf der Domain „bundestag.de“, also „N.N.@bundestag.de“.

Es grüßt euch herzlich
Berti :hallo: :prima:
Zuletzt geändert von Gast am 22 Feb 2008 16:57, insgesamt 1-mal geändert.
Gast

Mail an MdB Dr. Axel Berg (SPD)

Beitrag von Gast »

Ihre bisherige Ablehnung einer Lockerung der Restriktionen für die Stammzellenforschung in Deutschland

Sehr geehrter Herr Dr. Berg,

in der vergangenen Woche hat der Bundestag über ein neues Stammzellengesetz debattiert. Wie ich der Presse entnommen habe, wird das Parlament ohne „Fraktionszwang“ über diese Frage entscheiden. Es gibt inzwischen mehrere Vorschläge für eine Neufassung des Gesetzes. Von Ihnen wird der Gruppenantrag „Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzellforschung fördern“ mitunterstützt, der sich für ein Festhalten an den bestehenden Regelungen einsetzt. Eine Lockerung der Bestimmungen, wie sie von dem von vielen Ihrer Fraktionskollegen mitgetragenen Gruppenantrag (Gesetzentwurf Röspel, Aigner, Tauss, Rachel u.a.: Stichtagsverschiebung auf den 1.5.2007), oder eine Aufhebung des Verbots der Herstellung embryonaler Stammzellenlinien in Deutschland, wie es ein v.a. von vielen FDP-Abgeordneten initiierter Gruppenantrag „Entwurf eines Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin“ befürwortet, wird demzufolge von Ihnen abgelehnt.
Bislang fand ich immer, dass Sie unseren Bundstagswahlkreis im Münchener Norden, in dem ich auch lebe, als dessen gewählter Abgeordneter sehr gut vertreten und habe Ihnen deshalb auch bei Ihren Kandidaturen meine Erststimme gegeben. Leider stimme ich aber nun in der für mich sehr wichtigen Frage der Stammzellenforschungsgesetzgebung nicht überein, denn ich befürworte ein Ende der gesetzlichen Restriktionen. Eine Aufgabe der bisherigen starken Einschränkungen der embryonale Stammzellenforschung in Deutschland muss keineswegs bedeuten, dass man in einem zugegebenermaßen sehr sensiblen Forschungsfeld nun einfach „alles erlaubt“ wird. Strenge Kontrollmechanismen könnten auch bei einer prinzipiellen Freigabe der embryonalen Stammzellenforschung gewährleisten, dass in Deutschland nur an medizinisch wirklich sinnvollen Projekten und im Bewusstsein der besonderen Verantwortung, die in ethischen Grenzbereichen immer besteht, geforscht wird.

Dass ich mich eigens mit einer Mail an Sie wende, hat auch damit zu tun, dass ich aus persönlicher Betroffenheit heraus die laufende Debatte um die Stammzellenforschung verfolge. Vor 4 Jahren erhielt ich die Diagnose, unfruchtbar zu sein. Für meine Frau und mich war dies ein schwerer Schicksalsschlag, denn wir hatten uns beide eine Familie sehr gewünscht. Leider konnte uns auch die Reproduktionsmedizin nicht helfen, denn bei mir ist die Spermienproduktion bereits in einem frühen Stadium gestört. Die Ursachen hierfür sind unklar; möglicherweise handelt es sich um eine Störung, die bereits als Kind hervorgerufen worden ist. Wie Sie sicher gehört haben, stehen Umweltbelastungen im Verdacht, für derartige Fruchtbarkeitsstörung mitverantwortlich sein zu können.
Für Menschen mit schweren Fruchtbarkeitsstörungen stellt die Stammzellenforschung insofern eine Hoffnung dar, als in Tierversuchen es bereits gelungen ist, aus Stammzellen befruchtungsfähige Spermien- und Eizellen zu gewinnen. Wenn dies auch beim Menschen gelingen würde, könnten auch Infertile wie ich möglicherweise doch eigene Kinder haben. Auch wenn ich selbst wahrscheinlich von derartigen Fortschritten in der medizinischen Forschung nicht mehr profitieren werde, wünsche ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen doch jedem Menschen, dass ihm ungewollte Kinderlosigkeit erspart bleibt.
Mein persönlicher Leidensdruck wird sicherlich all denjenigen, die unter unheilbaren Krankheiten oder schweren Behinderungen leiden, und die ebenfalls Hoffnungen in Therapien mittels der Stammzellenforschung setzen, zurecht eher klein erscheinen. So erinnere ich mich beispielsweise an meine Zeit als Zivildienstleistender in einer Einrichtung für Schwerbehinderte. Ein Querschnittgelähmter, um den ich mich dort täglich zu kümmern hatte, erzählte mir oft von seinem Traum, dass eines Tages die Medizin Rückenmarksverletzungen heilen könnte. Nun gibt es endlich Hoffnungen, jemandem in dieser Lage helfen zu können! Selbst wenn die Stammzellenforschung auch nur einen kleinen Teil der in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen sollte, könnte sie dennoch in vielen Einzelfällen Menschen neues Lebensglück bringen. Deshalb sollte der Stammzellenforschung auch in Deutschland endlich eine echte Chance gegeben werden.
Mit dem von Ihnen unterstützten Gruppenantrag wird meines Erachtens genau diese Chance jedoch verweigert. Der Gruppenantrag formuliert zwar die Absicht, sich für die Förderung der Forschung mit adulten Stammzellen einsetzen zu wollen. Wer jedoch den Gang der laufenden Forschungen aufmerksam verfolgt, wird feststellen, dass die meisten Stammzellenforscher die in dem Gruppenantrag vorgenommene Aufteilung in zu fördernde Forschung mit adulten Stammzellen und verwerfliche Förderung mit embryonalen Stammzellen für unsinnig halten, weil beide Bereiche eigentlich in der Forschungspraxis auf einander angewiesen sind.
Mit einem Verzicht auf embryonale Stammzellen und einer Beschränkung auf die adulten Stammzellen wird es, wie es aussieht, deshalb nicht zu dem erhofften Durchbruch in der Stammzellenforschung kommen können. Es hat also durchaus sachlich fundierte Gründe, dass die medizinische Forschung derzeit auf die embryonalen Stammzellen nicht verzichten will. Die Politik sollte nicht mit dem Verweis auf isolierte Aspekte (positive Ergebnisse auch bei Forschung mit adulten Stammzellen, wie sie in dem Gruppenantrag angeführt werden) den Eindruck erwecken, dass sie den Forschungsstand besser beurteilen könnte als die mit der Materie beschäftigten Experten in Universitäten und Forschungsinstituten.

Wenn Sie also diesen Gruppenantrag unterstützen, müssen Sie sich ehrlicherweise eingestehen, dass Sie mit Ihrem Beschluss in der Realität keinen Beitrag zur Förderung der Stammzellenforschung leisten werden, sondern aus ethischen Gründen eine Behinderung dieser Forschung in Kauf nehmen.
De facto unterstützen Sie so, dass ein neuer, vielversprechender medizinischer Forschungszweig unter Verweis auf das ethische Gebot des Schutzes des entstehenden menschlichen Lebens stark behindert wird. Diese Haltung hat im Sinne des Rigorismus der kirchlichen „Schutz des Lebens“-Ethik, wie sie von den Vertreten des Gruppenantrags Hüppe, Dött, Eichhorn, Krings u.a. vorgetragen wird, eine gewisse Logik. Die Sozialdemokraten haben sich aber – meines Erachtens zurecht – immer mit großer Mehrheit gegen die Zumutungen dieser Ethik in der Abtreibungsdebatte gewehrt und auf die Notwendigkeit hingewiesen, zwischen dem Schutz des entstehenden Lebens und den Interessen der ungewollt schwangeren Frauen abzuwägen. Genau diese Abwägung ist aber auch bei der Stammzellenforschung vorzunehmen: Ist es richtig, entstehendes menschliches Leben bereits in einem sehr frühen Stadium zu schützen, wenn dadurch die Erforschung von Heilungsmöglichkeiten für bislang unheilbarer Krankheiten behindert wird?
Bevor Sie bei ihrer Entscheidung über das neue Stammzellengesetz sich vom ethischen Rigorismus der Kirchen leiten lassen, betrachten Sie bitte die Problematik auch aus der Perspektive der Betroffenen, also aus Sicht der Menschen, denen es verwehrt werden soll, dass ihnen neue medizinische Forschungsmethoden in einigen Jahren bei der Überwindung bislang unheilbarer Krankheiten helfen können. Schließlich sollte es ein zentraler Aspekt von ethischen Überlegungen immer sein zu bedenken, welche Folgen die eigenen Entscheidungen für andere Menschen haben, anstatt nach "Klarheit" und "Reinheit" im Sinne eines – möglicherweise auch unmenschlichen – Rigorismus zu streben. Es ist einfach zu sagen, dass menschliches Leben vom Moment seiner Entstehung, also von der ersten Zelle an, geschützt werden soll, um so eine „klare“ Grenze zu ziehen. Wie soll aber jemand, der seine Hoffnungen in die Ergebnisse der Stammzellenforschung setzt, verstehen, warum menschliche Zellhaufen im Reagenzglas so schützenwert sind, dass damit seine eigenen Hoffnungen auf Heilung zerstört werden? Das menschliche Hilfsgebot wird hier, wie mir scheint, dem philosophischen Gebot der Klarheit geopfert.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Sie mit meiner Mail dazu bewegen könnte, Ihr Abstimmungsverhalten beim Thema „Stammzellenforschung“ zu überdenken. Da ich mich an dem Internet-Selbsthilfe-Forum „klein-putz.net“ für ungewollt Kinderlose beteilige, werde ich mein Schreiben an Sie in anonymisierter Form zusammen mit Ihrer etwaigen Antwort dort einstellen. Die entsprechende Blogseite finden Sie unter http://www.klein-putz.net/forum/viewtopic.php?t=47905.
Aufgrund meiner schlechten Erfahrungen, die ich beim Umgang der Öffentlichkeit mit infertilen Männern gemacht habe, möchte ich Sie bitten, meinen Namen in Zusammenhang mit meinem Ihnen vorgetragenen Anliegen nicht publik zu machen. Leider sind in unserer Gesellschaft Fruchtbarkeitsstörungen immer noch ein Tabu, obgleich mittlerweile ca. ein Fünftel aller Paare sich mit derartigen Problemen bei ihrer Familienplanung auseinandersetzen muss.
Es würde mich freuen, wenn ich Sie mit der Darstellung meines persönlichen Falles auch dazu anregen könnte, einmal die Haltung der SPD zu Fragen des Umgangs mit ungewollter Kinderlosigkeit zu überdenken. Das Forum „klein-putz.net“ hat zusammen mit dem Selbsthilfegruppen-Dachverband „Wunschkind e.V.“ vor der letzten Bundestagswahl einen Forderungskatalog erarbeitet, den Sie unter folgendem Link einsehen können:
http://www.klein-putz.net/forum/info.php?artikel=82
Leider fiel die Antwort der SPD auf diese Forderungen 2005 sehr enttäuschend aus.

Mit freundlichen Grüßen
Gast

Mail an MdB Johannes Singhammer (CSU)

Beitrag von Gast »

Ihre bisherige Ablehnung einer Lockerung der Restriktionen für die Stammzellenforschung in Deutschland

Sehr geehrter Herr Singhammer,

in der vergangenen Woche hat der Bundestag über ein neues Stammzellengesetz debattiert. Wie ich der Presse entnommen habe, wird das Parlament ohne „Fraktionszwang“ über diese Frage entscheiden. Es gibt inzwischen mehrere Vorschläge für eine Neufassung des Gesetzes. Von Ihnen wird der Gruppenantrag „Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – Adulte Stammzellforschung fördern“ mitunterstützt, der sich für ein Festhalten an den bestehenden Regelungen einsetzt. Eine Lockerung der Bestimmungen, wie sie von dem von nicht wenigen Ihrer Fraktionskollegen mitgetragenen Gruppenantrag gefordert werden (Gesetzentwurf Röspel, Aigner, Tauss, Rachel u.a.: Stichtagsverschiebung auf den 1.5.2007), oder eine Aufhebung des Verbots der Herstellung embryonaler Stammzellenlinien in Deutschland, wie es ein v.a. von vielen FDP-Abgeordneten initiierter Gruppenantrag „Entwurf eines Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin“ befürwortet, wird demzufolge von Ihnen abgelehnt.
An Sie wende ich mich nun als Bundestagsabgeordneten unseres Wahlkreises im Münchener Norden, in dem auch ich lebe. Leider stimme ich mit Ihnen in dieser für mich sehr wichtigen Frage der Stammzellenforschungsgesetzgebung nicht überein, denn ich befürworte ein Ende der gesetzlichen Restriktionen. Eine Aufgabe der bisherigen starken Einschränkungen der embryonale Stammzellenforschung in Deutschland muss keineswegs bedeuten, dass man in einem zugegebenermaßen sehr sensiblen Forschungsfeld nun einfach „alles erlaubt“ wird. Strenge Kontrollmechanismen könnten auch bei einer prinzipiellen Freigabe der embryonalen Stammzellenforschung gewährleisten, dass in Deutschland nur an medizinisch wirklich sinnvollen Projekten und im Bewusstsein der besonderen Verantwortung, die in ethischen Grenzbereichen immer besteht, geforscht wird.

Dass ich mich eigens mit einer Mail an Sie wende, hat auch damit zu tun, dass ich aus persönlicher Betroffenheit heraus die laufende Debatte um die Stammzellenforschung verfolge. Vor 4 Jahren erhielt ich die Diagnose, unfruchtbar zu sein. Für meine Frau und mich war dies ein schwerer Schicksalsschlag, denn wir hatten uns beide eine Familie sehr gewünscht. Leider konnte uns auch die Reproduktionsmedizin nicht helfen, denn bei mir ist die Spermienproduktion bereits in einem frühen Stadium gestört. Die Ursachen hierfür sind unklar; möglicherweise handelt es sich um eine Störung, die bereits als Kind hervorgerufen worden ist. Wie Sie sicher gehört haben, stehen Umweltbelastungen im Verdacht, für derartige Fruchtbarkeitsstörung mitverantwortlich sein zu können.
Für Menschen mit schweren Fruchtbarkeitsstörungen stellt die Stammzellenforschung insofern eine Hoffnung dar, als in Tierversuchen es bereits gelungen ist, aus Stammzellen befruchtungsfähige Spermien- und Eizellen zu gewinnen. Wenn dies auch beim Menschen gelingen würde, könnten auch Infertile wie ich möglicherweise doch eigene Kinder haben. Auch wenn ich selbst wahrscheinlich von derartigen Fortschritten in der medizinischen Forschung nicht mehr profitieren werde, wünsche ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen doch jedem Menschen, dass ihm ungewollte Kinderlosigkeit erspart bleibt.
Mein persönlicher Leidensdruck wird sicherlich all denjenigen, die unter unheilbaren Krankheiten oder schweren Behinderungen leiden, und die ebenfalls Hoffnungen in Therapien mittels der Stammzellenforschung setzen, zurecht eher klein erscheinen. So erinnere ich mich beispielsweise an meine Zeit als Zivildienstleistender in einer Einrichtung für Schwerbehinderte. Ein Querschnittgelähmter, um den ich mich dort täglich zu kümmern hatte, erzählte mir oft von seinem Traum, dass eines Tages die Medizin Rückenmarksverletzungen heilen könnte. Nun gibt es endlich Hoffnungen, jemandem in dieser Lage helfen zu können! Selbst wenn die Stammzellenforschung auch nur einen kleinen Teil der in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen sollte, könnte sie dennoch in vielen Einzelfällen Menschen neues Lebensglück bringen. Deshalb sollte der Stammzellenforschung auch in Deutschland endlich eine echte Chance gegeben werden.
Mit dem von Ihnen unterstützten Gruppenantrag wird meines Erachtens genau diese Chance jedoch verweigert. Der Gruppenantrag formuliert zwar die Absicht, sich für die Förderung der Forschung mit adulten Stammzellen einsetzen zu wollen. Wer jedoch den Gang der laufenden Forschungen aufmerksam verfolgt, wird feststellen, dass die meisten Stammzellenforscher die in dem Gruppenantrag vorgenommene Aufteilung in zu fördernde Forschung mit adulten Stammzellen und verwerfliche Förderung mit embryonalen Stammzellen für unsinnig halten, weil beide Bereiche eigentlich in der Forschungspraxis auf einander angewiesen sind.
Mit einem Verzicht auf embryonale Stammzellen und einer Beschränkung auf die adulten Stammzellen wird es, wie es aussieht, deshalb nicht zu dem erhofften Durchbruch in der Stammzellenforschung kommen können. Es hat also durchaus sachlich fundierte Gründe, dass die medizinische Forschung derzeit auf die embryonalen Stammzellen nicht verzichten will. Die Politik sollte nicht mit dem Verweis auf isolierte Aspekte (positive Ergebnisse auch bei Forschung mit adulten Stammzellen, wie sie in dem Gruppenantrag angeführt werden) den Eindruck erwecken, dass sie den Forschungsstand besser beurteilen könnte als die mit der Materie beschäftigten Experten in Universitäten und Forschungsinstituten.

Wenn Sie also diesen Gruppenantrag unterstützen, müssen Sie sich ehrlicherweise eingestehen, dass Sie mit Ihrem Beschluss in der Realität keinen Beitrag zur Förderung der Stammzellenforschung leisten werden, sondern aus ethischen Gründen eine Behinderung dieser Forschung in Kauf nehmen.
De facto unterstützen Sie so, dass ein neuer, vielversprechender medizinischer Forschungszweig unter Verweis auf das ethische Gebot des Schutzes des entstehenden menschlichen Lebens stark behindert wird. Diese Haltung hat im Sinne eines ethischen Rigorismus, wie er von den Vertreten des Gruppenantrags Hüppe, Dött, Eichhorn, Krings u.a. vorgetragen wird, eine gewisse Logik. Jedoch verweigern sich die Verfechter dieser Logik der Tatsache, dass bei der Stammzellenforschung eine Abwägung getroffen werden muss: Ist es richtig, entstehendes menschliches Leben bereits in einem sehr frühen Stadium zu schützen, wenn dadurch die Erforschung von Heilungsmöglichkeiten für bislang unheilbarer Krankheiten behindert wird?
Bevor Sie bei ihrer Entscheidung über das neue Stammzellengesetz sich vom ethischen Rigorismus nach dem Motto „Der volle Schutz des menschlichen Lebens von der ersten Zelle an“ leiten lassen, betrachten Sie bitte die Problematik auch aus der Perspektive der Betroffenen, also aus Sicht der Menschen, denen es verwehrt werden soll, dass ihnen neue medizinische Forschungsmethoden in einigen Jahren bei der Überwindung bislang unheilbarer Krankheiten helfen können. Schließlich sollte es ein zentraler Aspekt von ethischen Überlegungen sollte immer sein zu bedenken, welche Folgen die eigenen Entscheidungen für andere Menschen haben, anstatt nach "Klarheit" und "Reinheit" im Sinne eines – möglicherweise auch unmenschlichen – Rigorismus zu streben. Es ist einfach zu sagen, dass menschliches Leben vom Moment seiner Entstehung, also von der ersten Zelle an, geschützt werden soll, um so eine „klare“ Grenze zu ziehen. Wie soll aber jemand, der seine Hoffnungen in die Ergebnisse der Stammzellenforschung setzt, verstehen, warum menschliche Zellhaufen im Reagenzglas so schützenwert sind, dass damit seine eigenen Hoffnungen auf Heilung zerstört werden? Das menschliche Hilfsgebot wird hier, wie mir scheint, dem philosophischen Gebot der Klarheit geopfert.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Sie mit meiner Mail dazu bewegen könnte, Ihr Abstimmungsverhalten beim Thema „Stammzellenforschung“ zu überdenken. Da ich mich an dem Internet-Selbsthilfe-Forum „klein-putz.net“ für ungewollt Kinderlose beteilige, werde ich mein Schreiben an Sie in anonymisierter Form zusammen mit Ihrer etwaigen Antwort dort einstellen. Die entsprechende Blogseite finden Sie unter http://www.klein-putz.net/forum/viewtopic.php?t=47905.
Aufgrund meiner schlechten Erfahrungen, die ich beim Umgang der Öffentlichkeit mit infertilen Männern gemacht habe, möchte ich Sie bitten, meinen Namen in Zusammenhang mit meinem Ihnen vorgetragenen Anliegen nicht publik zu machen. Leider sind in unserer Gesellschaft Fruchtbarkeitsstörungen immer noch ein Tabu, obgleich mittlerweile ca. ein Fünftel aller Paare sich mit derartigen Problemen bei ihrer Familienplanung auseinandersetzen muss.
Es würde mich freuen, wenn ich Sie mit der Darstellung meines persönlichen Falles auch dazu anregen könnte, einmal die Haltung der CSU zu Fragen des Umgangs mit ungewollter Kinderlosigkeit zu überdenken. Das Forum „klein-putz.net“ hat zusammen mit dem Selbsthilfegruppen-Dachverband „Wunschkind e.V.“ vor der letzten Bundestagswahl einen Forderungskatalog erarbeitet, den Sie unter folgendem Link einsehen können:
http://www.klein-putz.net/forum/info.php?artikel=82
Leider fiel die Antwort der CSU auf diese Forderungen 2005 wenig zufriedenstellend aus.

Mit freundlichen Grüßen
Gast

Antwort von MdB Singhammer (CSU)

Beitrag von Gast »

:meld: Von dem CSU-Abgeordnete Johannes Singhammer habe ich heute einen Brief erhalten. Er schreibt:
"Für Ihr Email-Schreiben vom 20.Februar 2008 danke ich Ihnen. Ihre Argumente habe ich sehr genau gelesen und Ihre ganz persönliche Betroffenheit hat mich nicht unberührt gelassen.
Dennoch läßt sich meine Haltung in der aktuellen Diskussion zur Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz auf einen klaren Nenner bringen: Ich bin gegen jedes weitere Aufweichen oder gar völlige Abschaffung der geltenden Stichtagsregelung im Stammzellgesetz.
Diesbezüglich habe ich die in Kopie beigelegte Pressemitteilung vom 18. Dezember 2007 in den Münchner Medien veröffentlicht. Daher unterstütze ich den fraktionsübergreifenden Gruppenantrag „Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz - Adulte Stammzellforschung fördern". Eine Kopie dieses Antrages darf ich Ihnen ebenso zuleiten.
Die Würde des Menschen ist für mich von absoluter Bedeutung, und es ist für mich selbstverständlich, dass diese Würde des Menschen auch von Anbeginn jedes menschlichen Lebens an, also dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei und Samenzelle, beginnt. Die Tötung menschlichen Lebens, auch um einem anderem Leben zu helfen, kommt für mich nicht in Betracht. Anfang und Ende des menschlichen Lebens sind dem Zugriff menschlichen Handelns nach meiner festen Überzeugung entzogen.
Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift Johannes Singhammer]"
Die in dem Brief erwähnten Kopien fehlten leider in dem Brief. Wenn ich die Presseerklärung noch bekomme, stelle ich sie später noch ein. Auf jeden Fall habe ich ihm Folgendes geantwortet:
"Sehr geehrter Herr Singhammer,
vielen Dank für ihren Antwortbrief auf meine Mail, den ich den in meiner Mail erwähnten Blog von "klein-putz" einstellen werde. Leider hat in dem Brief die von Ihnen erwähnten Kopien Ihrer Pressemitteilung vom 18.12.07 gefehlt. Falls Sie mir diese noch zuschicken wollen, können Sie das gerne auch per Mail tun. Der Text des Gruppenantrags, der in dem Brief ebenfalls nicht beigefügt war, ist mir bekannt, denn er ist als Bundestagsdrucksache ja online zugänglich.
Zu Ihrer Antwort möchte ich gerne Folgendes erwidern: Es ist sicherlich in sich betrachtet konsequent, wenn man so wie Sie argumentiert und menschlichem Leben von der befruchteten Eizelle die volle Menschenwürde zuspricht, was dann bedeutet, dass man Frühembryonen für ebenso schützenswert wie alle bereits lebenden Menschen hält. In gleicher Weise argumentieren ja die Kirchen. In meiner Mail habe ich Ihnen dargelegt, dass mich diese Sichtweise jedoch nicht überzeugt, weil sie nicht berücksichtigt, dass das Gebot, anderen Menschen mit schweren Leiden zu helfen (hier meine ich jetzt gar nicht meinen persönlichen Fall, sondern noch viel mehr Menschen, die in lebensbedrohlichen Situationen hoffen, dass neue medizinische Therapien ihnen helfen könnten), ethisch ebenfalls hochrangig anzusiedeln ist.
Für Ihr zum Ausdruck gebrachtes Mitgefühl danke ich Ihnen dennoch herzlich und hoffe, dass Sie nie in eine Lebenssituation kommen mögen, in der Sie in Konflikt mit Ihren ethischen Grundsätzen geraten könnten. Ich persönlich bin in einem solchen Konflikt gewesen, und deshalb haben sich bei mir viele frühere Positionen aus diesen Erfahrungen heraus gewandelt. Auch kenne ich kaum jemanden, bei dem dieser Überdenkungsprozess in ähnlichen Situationen nicht passiert wäre.
Mit freundlichen Grüßen"
und Grüßen an Euch für ein schönes Wochenende :juhu:
trotz der ärgerlichen Antwort aus der heilen katholisch-konservativen CSU-Welt :knuddel1: (sind das da nicht etwa Huber und Beckstein? Ich habe da neulich so ein ähnliches Wahlplakat gesehen :jaja: )
In diesem Sinne sag ich "Servus" für heute
B.
Gast

Beitrag von Gast »

:meld: Hier noch die Presseeklärung des Abgeordneten Singhammer, die er mir jetzt nachgereicht hat:
Singhammer unterstützt Bundestagsantrag „Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz“
Zur aktuellen Diskussion über eine mögliche Änderung der Stichtags-regelung des geltenden Stammzellgesetzes erklärt der Bundestags-abgeordnete für den Münchner Norden, Johannes Singhammer:
„Ich bin gegen jede weitere Aufweichung oder gar völlige Abschaffung der geltenden Stichtagsregelung im Stammzellgesetz.
Der Deutsche Bundestag hat 2002 beschlossen, dass ab diesem damaligen Zeitpunkt in Deutschland keine Embryonen vernichtet oder speziell nur zu Forschungszwecken hergestellt werden dürfen. Auf dieser Grundlage darf mit embryonalen Stammzelllinien geforscht werden, wenn diese vor dem 01.01.2002 von damals bereits getöteten Embryonen stammen.
Dies ist die geltende Rechtslage, die schon einen schwierigen ethischen Kompromiss darstellt.
International hat Deutschland dennoch heute einen Spitzenplatz in der therapieorientierten Forschung mit adulten Stammzellen erreicht. Dies ist erfreulich und soll auch mit der Konzentration auf andere Stammzell-forschungsansätze gefördert werden.
Eine immer neue zeitliche Verschiebung des geltenden Stichtages würde jedoch das eigentliche Schutzziel einer Stichtagsregelung ins Absurde führen. Erfolgreiche Grundlagenforschung ist auch mit den bisherigen Stammzelllinien möglich.
Daher habe ich den fraktionsübergreifenden Gruppenantrag „Keine Änderung des Stichtages im Stammzellgesetz – adulte Stammzellforschung fördern“ unterzeichnet.“
Phrank
Rang0
Rang0
Beiträge: 28
Registriert: 02 Aug 2007 01:28

Beitrag von Phrank »

Hallo Berti,

eine Zeit lang hatte ich hier ja nicht reingeschaut, da ich momentan noch anderweitig beschäftigt bin.
Du bist in der Zwischenzeit ja sehr fleißig gewesen.
Ich werde mir die nächsten Tage mal alles durchlesen.
Aber über einen Namen musste ich lachen: Philipp Mißfelder
Das war doch der, der meinte, dass es sich nicht mehr lohnen würde, ältere Menschen noch zu operieren... Vielleicht will er jetzt sein Gewissen beruhigen, indem er sich für den Schutz von 8- und 16-Zellern einsetzt!?


:gutsnächtle:


Frank
Gast

Beitrag von Gast »

Ja, Philipp Mißfelder ist der Junge-Unions-Vorsitzende, und er ist zur Zeit, wenn ich das richtig verfolge, auf dem Erzkonservativ-Trip, wohl zur Schärfung seines Profils; offenbar gibt es auch so was wie eine politische Adoleszenzkrise *g*
Aber ich will jetzt nicht nur auf die CDU eindreschen, es gibt ja auch einige jüngere Unionsabgeordnete, die offener sind, z.B. Katharina Reiche. Neulich kam in 3 Sat bei "nano" auch ein Beitrag über einen jüngeren sächsischen CDU-MdB (ich glaube, aus Dresden), der auch für eine Lockerung der Restriktionen für die embryonalen Stammzellenforschung ist - nur seinen Namen habe ich vergessen.
:grübel: Jetzt habe ich ihn gefunden: Er heißt Michael Kretschmer, und auf seiner Homepage hat er auch einen Link zu dem nano-Beitrag: http://www.michaelkretschmer.de/index2. ... sor=100402
Wenn ich das mal Parteienmäßig zusammenzähle, sieht es aber wohl so aus:
Am eindeutigsten für die Förderung der Stammzellenforschung ist die FDP, sodann gibt es relativ viele MdBs bei der LINKEN, die sich für die Zulassung der bmbryonalsen Stammzellenforschung in Deutschland oder zumindest eine Verschiebung des Import-Stichtags einsetzen.
Bei der SPD ist das Bild gemischt: Immerhin relativ viele ihrer Abgeordneten sind für die Verschiebung des Stichtags (Initiator ist ja ein jüngerer SPD-MdB), aber nur wenige für eine Zulassung in Deutschland. Bei der CDU sieht es noch durchwachsener aus. Zwar finden sich bei allen Anträgen auch CDU-Unterzeichner, aber eher eine Mehrzahl bei den beiden Brems-und- Blockier-Stammzellenforschung-Anträgen. Die CSU ist ähnlich wie Bündnis 90/Die Grünen positioniert: Festhalten an dem 2002-Stichtag oder Ablehnung.
Da zur Zeit ja Koalitionsvorschläge im neuen bunten 5-Parteien-System so beliebt sind, müsste man als Stammzellenforschungs-Zulassungs-Verfechter eine ganz neue 3er-Koalition anstreben: "Rainbow light": Rot-Rot-Gelb *rotfl* . Aber auf jeden Fall wirft es ein bezeichnendes Licht auf die Grünen, wo sie da in der Debatte stehen, weswegen ich sie bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr wählen will :ätsch:
In diesem Sinne trotzige Grüße
von B. :hallo:
Gast

Beitrag von Gast »

:meld: Übrigens soll die 2. und 3. Lesung des neuen Stammzellengesetzes am 13. März sein, und die Abstimmung noch vor Ostern.
Wer also eine Mail an einen MdB schreiben will, sollte das bald tun. Gerade die Tage vor dem 13.3. wären ein guter Zeitpunkt.
Also, auf geht's! :schlafen: *gähn* :( :-? :) :D :juhu:
Gast

Beitrag von Gast »

Schade, dass bisher noch niemand hier eine weitere Mail weggeschickt und hier eingestellt hat. Die namentliche Abstimmung über das Stammzellengesetz im Bundestag ist jetzt auf den 11.4. terminiert (http://www.bundestag.de/parlament/plena ... html#TOP22) - bis dahin bleibt also noch Zeit, seinen Wahlkreis-MdB anzuschreiben :help:
Gast

Beitrag von Gast »

:meld: Nun hat mir auch doch noch der Abgeordnete meines Wahlkreises, Dr. Axel Berg (SPD) geantwortet, dazu noch sehr ausführlich:

"Vielen Dank für Ihre ausführliche E-Mail zur aktuellen Diskussion des Stammzellgesetzes. Ich habe Ihre Zeilen bzw. Seiten intensiv gelesen und bin sehr ins Nachdenken gekommen. Sie beschreiben die Stammzellforschung aus Ihrer sehr persönlichen Sicht mit einem persönlichen Schicksal. Und dennoch beurteilen Sie die Situation abwägend. Das finde ich sehr bewundernswert. Dafür zolle ich Ihnen größten Respekt.
Wieder gibt es kein "richtig" oder "falsch", deshalb will ich darlegen, was meine eigenen Beweggründe sind.
Bei der Entscheidung im Jahre 2002, ob wir den Import embryonaler Stammzellen zulassen, war ich dagegen, diesen "Rubikon" zu überschreiten, da ich befürchtete, dass es dann kein Halten mehr gäbe und die ethische Bedenken leichter vom Tisch gewischt werden könnten.
Beeindruckt hat mich die öffentliche Debatte, die sich um das Thema entwickelte, das war im Mai 2001. Wir haben über das Wichtigste überhaupt debattiert: das menschliche Leben.
Wir mussten eine Entscheidung zum Umgang mit menschlichem Leben im frühestens Stadium fällen. Die Entscheidung erinnert mich immer wieder in Ihrer Dimension an die Atomdebatte der 70er Jahre. Damals schien die Wissenschaft als allwissender Ratgeber klare Aussagen über die Folgen und Gefahren dieser Technologie machen zu können. Heute, 30 Jahre später, sind wir in unserer Gesellschaft zu dem Konsens gekommen, dass dies ein falscher Weg war. Ich war mir lange Zeit nicht sicher, wie ich mich entscheiden werde, diese Überlegungen haben mich vorsichtig werden lassen.
Da es sich bei der Frage der embryonalen Stammzellen um eine ethische Frage handelt, die nicht richtig oder falsch beantwortet werden kann, gab es innerhalb des Parlaments keine geschlossene Fraktionsabstimmung. Es ging um eine Gewissensentscheidung. Ein derart schwieriges Thema benötigt viele Gespräche und Gedanken, um Entscheidungsgrundlagen zu erlangen. Deshalb bin ich dankbar über Post von Menschen, die mir ihre Situation noch einmal vor Augen führen und es mir damit erlauben, einzelne Themen auch mit Distanz zu betrachten.
Obwohl die Vision faszinierend ist, Ersatzzellen für Menschen mit Alzheimer, Parkinson oder Herzinfarkt zu züchten oder Infertilität, hatte ich mich nach langem Abwägen der verschiedensten Argumente gegen den Import embryonaler Stammzellen entschieden. Seit 2002 haben sich keine wesentlichen Erfolge eingestellt. Sie haben natürlich Recht, wenn Sie mir entgegen halten, dass ich mich mit dieser Haltung gegen jegliche embryonale Stammzellforschung stelle.
Es geht bei dieser Frage immer darum, dass für die Herstellung pluripotenter Stammzellen, werdendes Leben getötet werden muss. Das Argument, dass dies schon geschehen sei oder es sich bei der Gewinnung um sogenannte "überzählige" Embryonen handelte, ändert nichts an der ethischen Bewertung der Tatsache an sich. Zusätzlich ist mir die Hoffnung, dass sich aus dieser Forschung neue Heil- und Behandlungsmethoden etablieren lassen, zu vage. Und ist auch heute 2008 nicht deutlicher geworden. Nach Auskünften aus medizinischen Fachkreisen sind die Chancen auf derartige, leider noch nicht vorhandene Heilungsmethoden äußerst gering. Mir leuchtet nicht ein, dass nicht engagierter mit adulten Stammzellen geforscht wird. Sie kommen im Knochenmark, Körperfett und manchen Organen vor, sind ethisch unbedenklich und haben den Vorteil, vom eigenen Körper nicht abgestoßen zu werden. Nachteil: Sie vermehren sich langsamer und dürften manchem vom - legitimen - Spieltrieb motivierten Wissenschaftler die Aussicht auf großzügige Fördermittel zunichte machen. Dass das eine eigentlich nicht ohne das andere erforschbar ist, wie Sie schreiben, ist mir bisher nicht einleuchtend erklärt worden.
Der Bundestag hatte sich 2002 mit Mehrheit für einen streng limitierten Import entschieden. Ich hatte damals dagegen gestimmt, mich aber an das Mehrheitsvotum gehalten und meine Kraft dafür verwendet, die scharfen Importbedingungen im nun folgenden Gesetzgebungsverfahren zu verwirklichen.
Nun 2008 stellt es sich aber anders dar. Die Entscheidung von 2002 gilt immer noch. Ich habe sie natürlich mitgetragen, da ich dem Prinzip des Mehrheitsvotums verpflichtet bin. Das ist ein Dilemma, ein Dilemma, das ich als Nicht-Mediziner und Nicht-Ehtiker nicht aufzulösen weiß. Ich hatte 2002 für mich entschieden, dass das Leben mit der Befruchtung der Eizelle beginnt und mich deshalb gegen jede Form der embryonalen Stammzellforschung gestellt. Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hatte sich damals anders entschieden. Es kam die Stichtagsregelung. Die Mehrheit hatte demokratisch entschieden. Mir persönlich - als Mensch - fiel es nicht leicht, dies zu akzeptieren.
Die Forschung hat nach meinen aktuellen Informationen keine essentiellen Fortschritte gebracht. Auch wenn immer wieder die Hoffnung aufkommt, dass wir Krankheiten heilen könnten, die ohne embryonale Stammzellen nicht zu heilen wären, sind mir die Ergebnisse für eine Entscheidung zur Änderung der aktuellen Situation viel zu gering. Denn ich denke, dass wir Politiker die Verantwortung tragen eine durchgängige und konsequente Politik zu machen. Oft genug wird uns das angekreidet. Auch wenn ich als Mensch in einem ethischen Dilemma stecke, plädiere ich als Politiker für die Beibehaltung der in 2002 gefundenen Regelung. Das ist keine leichte Situation für mich, bringt sie mich jedes Mal wieder in einer ethische Zwangslage. Am 11. April werde ich deshalb bei der namentlichen Abstimmung den Gang zur Wahlurne nicht leichtfertig antreten.
Vielleicht konnte ich Ihnen ein wenig deutlich machen, wie es mir mit der Entscheidung ergeht, die wir bald zu treffen haben. Ich bleibe bei meiner Haltung, dass das Votum des 15. Deutschen Bundestages gilt und wir eine Änderung der Regelung ablehnen sollten. Auch wenn wir nicht einer Meinung sind, hoffe ich inständig, dass Sie meine Beweggründe verstehen und erkennen, dass ich diese Entscheidung mit Sicherheit nicht auf die leichte Schulter nehme. Deshalb möchte ich Ihnen noch einmal sehr herzlich für Ihre E-Mail danken.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Berg MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik
11011 Berlin
Tel.: 030-227-72179
Fax: 030-227-70053
e-mail: axel.berg.ma02@bundestag.de
homepage: www.axel-berg.de

Ich habe ihm darauf Folgendes geantwortet:

"Sehr geehrter Herr Dr. Berg,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Wie angekündigt habe ich sie in den Blog des "klein-putz"-Forums eingestellt (http://www.klein-putz.net/forum/viewtopic.php?t=47905).
Dass Sie bei Ihrer Entscheidung sich um ein gewissenhaftes Abwägen des Für und Widers bemühen, ist mir deutlich geworden. Auf zwei der von Ihnen genannten Aspekte möche ich gerne noch kurz eingehen:
1. Sie schreiben, dass der Zusammenhang zwischen Forschungen mit embryonalen und adulten Stammzellen Ihnen noch nicht in überzeugender Weise dargelegt worden ist. Von den Stammzellenforschern wird dieser Zusammenhang nach meiner - zugegebenermaßen laienhaften - Kenntnis so erklärt, dass die embryonalen Stammzellen quasi zur vergleichenden "Eichung" dienen, da sie eben Fähigkeiten besitzen, über die adulte Stammzellen nur noch in eingeschränkter Weise verfügen. Wohl auch aus diesem Grund hält die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), in der gewöhnlich die führenden Wissenschaftler einer Fachrichtung als Gutachter tätig sind, Forschungsarbeiten unter Verwendung von embryonalen Stammzellen weiterhin für notwendig und förderungswürdig. Sicher ist die Forschungsförderung für den Bereich der adulten Stammzellen wichtig, aber die DFG plädiert keineswegs dafür, dass sich die Stammzellenforschung künftig allein auf adulte Stammzellen setzen sollte.
2. Sie betonen, dass Ihnen es wichtig scheint, an dem Grundsatz festzuhalten, dass menschliches Leben mit der Befruchtung der Eizelle beginnt. Dass hier menschliches Leben beginnt, ist ja ganz unstrittig, doch bleibt zu fragen, ob menschlichem Leben auch in diesem frühesten Stadium bereits ein weitgehender Schutz zu gewähren ist. Vom Umgang der Natur mit dem menschlichen Leben in diesem Stadium lässt sich diese Forderung jedenfalls nicht ableiten, da in den allerersten Schwangerschaftswochen Abbrüche bekanntlich sehr häufig vorkommen. Darüberhinaus handelt es sich ja bei den fraglichen bereits gewonnenen überzähligen Embryonen um menschliches Leben, das außerhalb des Uterus für sich nicht lebensfähig ist, denn eine Schwangerschaft hat ja noch gar nicht begonnen. Insofern erscheint mir die Sichtweise, die in Großbritannien im Umgang mit Frühembryonen entwickelt worden ist, sehr plausibel: Hier wird dem in vitro erzeugten Frühembryo, solange er noch nicht einer Frau eingesetzt worden ist, in den ersten beiden Lebenswochen nur ein bedingter Schutz zuerkannt. Das heißt natürlich auch nicht, dass "alles" in dieser Phase an Eingriffen erlaubt ist. Jedoch ist ein Abwägen zwischen der Gewährung von Schutz auch für die Frühformen menschlichen Lebens und z.B. der Hoffnung auf neuen Heilungsmöglichkeiten für andere Menschen so auf verantwortungsvolle und durchaus rational nachvollziehbare Weise möglich.
Abschließend möchte ich Sie noch auf eine interessante Publikation hinweisen, die Ihnen bei Ihren weiteren Überlegungen vielleicht neue Anregungen bieten könnte: Die von dem Beauftragen für Glaube, Naturwissenschafte und Umwelt in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen, Joachim Krause, mitverfassten Broschüre „Unter die Lupe genommen --- Bio­medizin-Gentechnik-Ethik" herausgegeben von der Diakonie Sachsen, Radebeul, Reihe „DiakoniePublik“ Heft 3/2001 (im Internet auszugsweise zugänglich gemacht unter: http://www.krause-schoenberg.de/SB2_men ... nfuehrung1).
Mit freundlichen Grüßen
B." :roll:
Antworten

Zurück zu „Gesundheitsreform und Versorgungsstrukturgesetz“