Wer noch was Unterhaltsames zur Gesundheitreform lesen mag....manche Medikamente werden nicht mehr erstattet, aber dafür... gibt’s tolle “Alternativen“.
Der Kardiologe Prof. Erdmann (Uni Köln) engagiert sich für eine Korrektur der neuen Positivliste, hat eine Internetseite
http://www.medizin.uni-koeln.de/klinike ... liste.html
zum Thema Positivliste/ Gesundheitsreform. Zitat eines dort veröffentlichten Briefs:
„Verehrte Frau Ministerin Schmidt,
wenn wir Sie in den diversen aktuellen Pressemitteilungen richtig verstanden haben, möchten Sie den Standard im Gesundheitssystem verbessern. Zum einen wollen Sie ein Institut für Qualität in der Medizin gründen, zum anderen mit Hilfe der „Positivliste“ den Arzneimittelmarkt überschaubarer machen, nur noch wirksame Medikamente als kassenerstattungsfähig akzeptieren und – wie es auf Ihrer Internetseite heißt – nur zweckmäßige, notwendige und sinnvolle Medikamente als verordnungsfähig zulassen. Wegen dieses hohen und richtigen (!) Anspruchs wende ich mich nach Rücksprache mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie an Sie und schreibe Ihnen diese Zeilen als offenen Brief, damit er nicht weitgehend unbeachtet in einem Vorzimmer liegen bleibt. Wir Fachärzte für Kardiologie sind irritiert!
Wahrscheinlich haben Sie als Fachfremde den Gesetzentwurf Ihres Ministeriums, die „Positivliste“ nicht selbst gelesen. Natürlich haben wir Ärzte auch Verständnis für Ihre vielfältigen Aufgaben, die ein eingehendes Studium von Gesetzestexten kaum zulassen. Aus Sorge um die Medizin in unserem Lande, die zum Gespött in Europa zu werden droht, bitte ich Sie aber doch, selbst einmal in die „Positivliste“ hineinzuschauen. Sie werden als verordnungsfähig und – einmalig in Europa – als kassenerstattungsfähig in den 3 Anhängen zu diesem Jahrhundertentwurf folgendes finden: rectum suis (Mastdarm des Schweins) und viele andere Darmabschnitte, anus bovis (Enddarm der Kuh), penis bovis, penis suis, testes suis (Schweinehoden), testes embryonales bovis (Hoden vom Embryo der Kuh), cinis (Asche), pix (Pech), formica rufa (rote Waldameise), vespa grabro (Hornisse), coccinella septempunctata (Marienkäfer), Knollenblätterpilz, Brechnuß, Onyx, Opal, Saphir, Rubin, Granit, dens suis (Schweinezahn), lingua bovis (Rinderzunge), Blutegelextrakte, alle tierischen Drüsen bis hin zu Tränendrüsen, fel tauri und fel piscis (Galle vom Stier oder vom Fisch), bufo rana (Kröte).
Man könnte so noch viele hundert Organe oder Bestandteile von Tieren, Pflanzenextrakte, heilige Steine oder anderes aus der Schamanenmedizin nennen, was in Ihrer „Positivliste“ als verordnungsfähig aufgeführt wird. Was glauben Sie, verehrte Frau Ministerin, welche Krankheiten damit zu heilen sind? Soll sich getrockneter Krötenextrakt für Schweißhände eignen? Brauchen die Kranken in unserem Lande vagina suis und Stierhodenextrakte auf Kassenkosten? Welcher Wissenschaftler hat Ihr Ministerium da wohl beraten?
Ihr geplantes Institut für Qualität in der Medizin wird gewiß keine leichte Aufgabe haben, diesen Schweinkram zu rechtfertigen. Es ist auch nicht fair, den Mitarbeitern das zuzumuten! Wahrscheinlich wissen Sie gar nicht, daß die Extrakte aus diesen tierischen Organen bzw. deren Bestandteile nach der Meinung der Homöopathen erst richtig wirksam werden, wenn sie bei jeder Verdünnung zehnmal gegen den Erdmittelpunkt auf einen harten Gegenstand geschlagen wurden. Auch soll durch Verdünnung eine „Potenzierung“ der Wirkung stattfinden (besonders wirksam sollen angeblich „Hochpotenzen“ sein, die 10-30 verdünnt sind). Allerlei Kultisches ist da schon drin in Ihrer „Positivliste“.
Kann es sein, daß Ihre Referenten im Bundesinstitut für Arzneimittel, die sonst zurecht so strenge Maßstäbe an die Wissenschaftlichkeit von Medikamenten vor der Zulassung anlegen und einen einwandfreien Wirksamkeitsnachweis verlangen, von gläubigen Außenseitern unter Druck gesetzt wurden. Ich kann kaum glauben, daß unsere fachlich hervorragend gebildeten und geschätzten Kollegen im BfArM diese „Positivliste“ zu Gesicht bekommen haben. Auch als weisungsgebundene Beamte hätten sie Alarm schlagen müssen. Pech, Schwefel, Asche und Stierpenis sind kaum als zweckmäßig, notwendig und sinnvoll zu akzeptieren!
Frau Ministerin, machen Sie uns Ärzte in diesem Land nicht lächerlich in der zivilisierten, wissenschaftlich orientierten Welt des 21.Jahrhunderts. Wir wollen uns nicht schämen müssen, wenn wir auf internationalen Kongressen demnächst damit verspottet werden, daß in Deutschland die Rechtsherzinsuffizienz mit cor bovis dextrum und die Linksherzinsuffizienz mit cor bovis sinistrum auf Kassenkosten und mit dem Segen eines Bundesgesetzes behandelt würden. Bitte denken Sie daran, wenn Sie durch diese „Positivliste“ jetzt mehr als 3.000 „neue Arzneimittel“ als erstattungsfähig aufwerten, daß mancher Kranke glaubt, das, was in einem Gesetz stehe, könne nicht nur Scharlatanerie, Humbug und Quatsch sein. Die Autoren dieser Liste haben von evidence based medicine, disease management und leitlinienorientiertem medizinischen Handeln merkwürdige Vorstellungen, wenn sie Krötenhaut, getrocknete Tarantel und Feuersalamander mit Beta-Blockern, Insulin und ACE-Hemmern auf eine Stufe stellen. Ich frage mich, wer das bezahlen soll, was hier noch alles auf uns zukommt. Diese „Positivliste“ beleidigt alle wissenschaftlich denkenden Ärzte und stellt sie mit Schamanen früherer Kulturen auf eine Stufe. Bitte überdenken sie diese Negativliste.“ ( Zitat Ende)
LG Birgit
( sorry an die ganzheitlich orientierten Leute, aber wenn Kiwumedis nur eingeschränkt erstattet werden sollen und gleichzeitig dann diese Liste erscheint..?)