ACHTUNG SEHRRRRRRR LANG!
Hallo Ihr Lieben,
wie versprochen, hier endlich unser Bericht.
Am Pfingstmontag den 05.06.2006 gegen 17.30 Uhr war es endlich soweit:
Mit dem Betreff: "Eilt sehr !!!!! Termin!!!!!" kam die erlösende Email mit dem Reiseplan unserer ersten Reise nach Blagovestschensk im fernen Osten Russlands. Und es sollte ganz bald losgehen. Wir wurden am 12.06.2006 in Blago erwartet. Also genau vier Arbeitstage Zeit, um solche Dinge wie Tickets und Visa zu organisieren. Zum Glück hatten wir alles andere wie Geschenke fürs Heim und die Organisation der Abläufe hier zu Hause bereits im Vorfeld erledigt. So war alles bereit, außer unsere Klamotten. Nun machte der seit Wochen tägliche Blick bei
www.wetter-online.de zum Wetter in Moskau und Blago endlich Sinn.
Da ja Pfingstmontag war, konnten wir außer den nun fälligen Überweisungen rein gar nichts unternehmen, außer unsere Verwandte und Freunde zu informieren. Die Reaktionen waren zahlreich und schnell und alle teilten unsere große Freude, dass es endlich losgehen sollte.
Von einer Bekannten, die zu dieser Zeit bereits in Blago war, hatten wir die Adresse eines russischen Reisebüros in Wiesbaden. Zum Glück! Denn der nette Inhaber des Büros kümmerte sich um alles. Wir telefonierten Dienstag früh, in der Kürze der Zeit wurden alle Flüge gebucht und gegen Mittag fuhr ich zum Bezahlen nach Wiesbaden. Alles wirkte sehr unwirklich auf uns alle hier, endlich sollte es tatsächlich losgehen? 11,5 Monate waren unsere Papiere schon alt.
Am Mittwoch besorgten wir die letzten Klamotten und Geschenke und so konnten wir die Abreise kaum noch erwarten.
Am Freitag sollten endlich die Visa in Wiesbaden ankommen, so fuhr ich direkt nach dem Büro hin, um dort auf den Kurier zu warten. Diese Wartezeit stellte meine Nerven erheblich auf Probe, denn ich wartete 2,5 Stunden zuerst im Auto, dann im Reisebüro bis ich endlich den erlösenden Kurier sah und er tatsächlich auch unsere Visa dabei hatte. Es konnte also losgehen. Abends noch schnell gepackt, das erforderliche Gewicht gerade so eingehalten und das Eröffnungsspiel der Fußball-WM angeschaut.
Am Samstag, den 10.06.2006 wurden wir um 04.00 Uhr morgens von einem Freund abgeholt, der uns zum Flughafen fuhr. Der Flug sollte um 06.55 Uhr starten, so hatten wir noch ein wenig Zeit. Leider waren noch alle Kaffees und Geschäfte im Flughafen geschlossen, aber an das Warten auf Flughäfen sollten wir uns sowieso gewöhnen.
Ein Bus fuhr uns zu unserer Maschine der Sibirian Airline und von nun lief alles komplett auf russisch, selbst englisch wurde zur Mangelware. Wir freuten uns so, dass wir endlich einsteigen durften und kamen unserem Kind Kilometer für Kilometer näher.
Wir landeten um 12.20 Uhr Ortszeit nach 3 Stunden 10 Minuten Flug in Moskau. Und wir machten unsere erste Erfahrung mit russischen Beamten. Da auch hier kein englisch gesprochen wurde und alle Papiere nur in kyrillischer Schrift vorzufinden waren, waren wir heilfroh, als endlich der Einreisestempel in unseren Reisepass sauste. Wir haben recht bald verstanden, dass Lächeln hier nicht angebracht war.
Am Flughafen sollten wir den Schalter 38 suchen, an dem wir den Transfer in unser Hotel bestellen konnten. Das Problem war nur, dass wir zwar die Schalter 37 und 39 fanden, jedoch die 38 verschollen blieb. Wir konnten uns kaum vor vermeindlichen Taxifahrern retten und waren nach 45 Minuten heilfroh, den Schalter 38, bedingt durch eine Baustelle auf dem Flughafen, am Ende des Flughafens zu finden. Wir kamen sehr müde aber heilfroh im Aerotel ca. 2 Gehminuten vom Flughafen an. Wi8r hatten 1,5 Tage Aufenthalt, aber der Flughafen liegt so weit außerhalb, dass ein Ausflug nach Moskau nicht möglich war. So kümmerten wir uns ein wenig um unseren Schlafmangel, schauten Fußball und probierten das erste russische Bier. Die Zeit verging sehr schnell und so starteten wir am Sonntag, den 11.06.2006 gegen 15 Uhr wieder Richtung Flughafen. Das Flug nach Blagovestschensk ging um 19.15, wir konnten unsere Koffer aber zum Glück schon aufgeben und verbrachten die Zeit in einem Kaffee, dieses Mal australisches Bier. Die Spannung stieg, an den hohen Geräuschpegel hatten wir uns endlich gewöhnt.
Der Flug war nicht ausgebucht, so konnten wir uns drei Sitzplätze teilen und hatten ausreichend Platz.
Wir landeten in Blagovestschensk um 08.50 Uhr Ortszeit, der Flug dauerte 8 Stunden und wir waren insgesamt 8 Zeitzonen von zu Hause entfernt. Der Flughafen war nicht größer als der OEG Bahnhof in Viernheim, die Wolken hingen sehr tief, es hatte geregnet und war leicht schwül. Ein Bus fuhr uns ein paar Meter bis zu einer Art Gartentor, wir folgten den anderen Fahrgästen und standen dann vor dem Flughafengebäude. Schilder zur Gepäckausgabe waren keine zu sehen.
Wir waren sehr froh, als uns Natascha ansprach, die uns vom Flughafen abholen sollte. Die Gepäckausgabe befand sich in einer Art Scheune an einem Ende wurden die Koffer auf ein Band geworfen und vorne holten wir sie ab. Am Ausgang wurde genau kontrolliert, dass man den richtigen Koffer mitnahm.
Natascha bzw. unser Fahrer Sascha fuhr uns in unser Hotel „Churin“. Wir sollten um 10.40 Uhr von Tatjana, der Koordinatorin und Ludmilla, der Übersetzerin abgeholt werden, um mit ihnen ins Kinderheim zu fahren. Die Dusche war eine Wohltat, auch wenn das Wasser nach Fischsuppe roch . Gespannt warteten wir auf das Abholen. Bereits auf dem Parkplatz meinte Tatjana „It’s a boy, is it ok? I think between 2 or 3 years.“ Wir waren so platt vom Flug, dass unsere Emotionen sich wohl im Tiefschlaf befanden, denn zu unserem größten Erstaunen fuhren wir völlig ruhig ins Kinderheim. Es war Feiertag (Tag der Unabhängigkeit), so war es sehr nett von den Mitarbeitern des Kinderheimes uns zu empfangen.
Das Kinderheim liegt etwas außerhalb der Stadt. Wir liefen brav hinter Tatjana und Ludmilla her in ein kleines Büro und wir konnten an ihren Reaktionen sofort merken, dass unser Kind sich schon im Raum befinden musste. Und da saß ER auf dem Sofa: Unser Sohn: Schüchtern und spielte mit einem „Sortierspiel“. Immer wenn er dachte, dass wir es nicht merkten schaute er nach oben und beobachtete uns. Wir waren sofort hingerissen und verliebt. Das sollte unser Kind werden! Blonde Haare, blaugraue Augen, einfach zu süß! Liebe auf den allerersten Blick. Doch wir mussten konzentriert bleiben, um dem Bericht der Sozialarbeiterin zuzuhören, denn das war das allererste, was jetzt anstand.
Wir waren begeistert. Wir bekamen sämtliche Informationen, die dem Heim selbst zur Verfügung standen, durften viele viele Fragen stellen und fühlten uns richtig wohl. Der Kleine beobachtete uns dabei und nach einer Weile beteiligte er uns an seinem Spiel. Es gab überhaupt keine Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme. Neugierig schaute er die Spielsachen an, die wir nacheinander aus dem Rucksack holten. Besondere Begeisterung lösten die Soundwürfel Bauernhof von Kosmos aus. Einfach Klasse. Die Planiermaschine von Duplo, die so schön rattert, fand auch sofort anklang. Schon beim ersten Besuch kam Samuel Artjom zu Gunnar auf den Schoß und schaute mit ihm ein Bilderbuch an. Ein traumhaftes Kennenlernen. Nach etwas mehr als einer Stunde mussten wir uns jedoch verabschieden. Unser Sohnmann musste zum Mittagessen und wir zurück ins Hotel. Dort angekommen wurde unsere Geduld wieder auf die Probe gestellt. Denn wen von unseren Freunden oder Verwandten konnten wir schon um 04.00 Uhr morgens wecken. Wir hatten uns nämlich schon für unseren Schatz entschieden. Es gab überhaupt keine Zweifel. So tranken wir zur Feier des Tages zwei Gläser Wodka und verschickten danach unsere SMS an alle, um die frohe Kunde nach Deutschland zu schicken. Nach 10 Minuten rief Oma schon als erste an. Wir wussten kaum wohin mit unserer Freude. Nach und nach trudelten SMS und Anrufe ein und verkürzten uns ein wenig die Wartezeit bis zur Abholung am Nachmittag zu unserem zweiten Besuch im Heim. Wir durften ihn dieses Mal mit nach draußen auf den Spielplatz nehmen. Nur unsere Koordinatorin Tatjana war dabei und wir hatten jede Menge Spaß. Das Kennenlernen eines Luftballons und seinen Eigenschaften, Seifenblasen, Rutschen, Schaukeln, alles löste Begeisterungsrufe aus, es war wunderschön. Dann eine Trinktüte mit Strohhalm, ein weiteres Highlight. Vor lauter Lachen kamen unserem kleinen Sohn die Tränen, eine Reaktion mit der er so gar nichts anfangen konnte. Wir mussten ein paar Schritte mit ihm an der Hand laufen, damit er wieder zur Ruhe kam. Auch hier verging die Zeit viel zu schnell. Als wir ihn zurück in seine Kindergruppe brachten (die Kinder waren in ihrem eigenen Schrebergarten) sagte er uns kein Tschüß. Er war beleidigt und wollte viel lieber mit uns spielen.
Und wir waren glücklich. Was für ein tolles Kind.
Am Abend holten wir uns an der Ecke beim Chinesen ein super leckeres Essen und zwei Bier. Die Nacht schliefen wir nicht viel, wir waren so aufgeregt und froh.
Am nächsten Tag folgte unser 3. und 4. Besuch. Am Vormittag hatten wir noch ein Gespräch mit seiner Logopädin. Da war der Kleine ziemlich schüchtern und sprach nicht viel. Er sagte uns ein Gedicht auf und erzählte ein kleines Märchen. Beim Gehen war er wieder beleidigt.
Das letzte Treffen forderte unsere Nerven und wir waren sehr traurig, als es zum Abschied kam. So ging es auch dem Kleinen. Wir machten ein paar letzte Erinnerungsphotos und gaben ihm sein Abschiedsgeschenk: Einen Teddy mit Photo von uns drauf. Er verstand nicht, dass er ihn behalten durfte. Außerdem band ich ihm ein Halstuch um, was ich im Heim getragen hatte, sagte ihm, dass er gut drauf aufpassen sollte, weil ich es wieder abholen würde. Ein sehr sehr trauriger Moment. Auch wenn man von Anfang an weiß, dass es einen Abschied geben wird, kann man den Augenblick selbst nicht gut aushalten.
Wir waren auf der einen Seite froh, als der Abschied vorbei war.
Zur Ablenkung gingen wir vom Hotel aus eine Runde durch Blago spazieren. Wir liefen an den Amur und waren von der Nähe Chinas sehr beeindruckt. Direkt am anderen Ufer eine andere Welt. Wir machten viele Photos und vergaßen so ein bisschen. Abends holte uns Ludmilla, unsere Übersetzerin zum Abendessen ab, wir hatten wir eingeladen. Wir aßen typisch russisch, es war sehr lecker und der Rotwein aus Georgien überraschte uns mit seiner Qualität. Ein sehr schöner, sehr lustiger Abend, auch hier ein trauriger Abschied von Ludmilla, die sich sehr über den mitgebrachten deutschen Kaffee freute. Ein absolut liebenswerter Mensch, den wir sicherlich auch nach der Adoption wieder sehen.
Am nächsten Morgen wurden wir zum Flughafen geflogen und die Reise nahm ihr Ende. Die Rückreise verging schleppend, da wir am Flughafen Moskau 9 Stunden Aufenthalt hatten. Wir verbrachten die Zeit damit, unsere Photos entwickeln zu lassen (ein besonderes Bonbon für die, die ungeduldig zu Hause warteten) und schrieben schon mal auf, was wir auf Reise 2 nicht vergessen dürfen.
Der Flug nach Frankfurt verging sehr schnell und so waren wir wieder daheim. Zu Hause erwartete man uns mitten in der Nacht und freute sich über das gefilmte Material und die Photos.
Am nächsten späten Nachmittag sagten wir allen, wo wir zu finden seien, brachten die schon eingeklebten und beschrifteten Photos mit und erzählten ausgiebig. So hatten wir zu Hause keine Massenaufläufe. Wir würden es immer wieder so machen.
Unsere erste Reise zu unserem kleinen Sohn war sehr gut organisiert. Wir wurden super gut betreut, fühlten uns nie unwohl oder unsicher. Die Reise war sehr anstrengend aber es hat sich gelohnt.
Wir haben unser Kind mit dem Gefühl dort gelassen, dass er gut betreut wird, dass es ihm dort gut geht und er ja nichts anderes kennt. Auch wenn es sehr weh tut nicht zu wissen, wann wir uns wiedersehen. Eine neue Wartezeit beginnt für uns. Wir wissen auf wen wir warten und das macht uns stark.
Falls Ihr noch Fragen habt, als her damit. Ich habe sicherlich die Hälfte vergessen