Wie werde ich bloß nicht wie meine Mutter???

Alle Fragen und Probleme, die man doch lieber anonym diskutieren möchte.
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Stella38
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Beitrag von Stella38 »

Ich habe so schlimme Sachen wir Ihr schreibt nicht erlebt.
Aber auch Sachen, die ich nicht wiederholen möchte.

Als ich meine Mutter am meisten gebraucht und um Hilfe gebeten habe, weil ich auf der Schule von Rowdies terrorisiert wurde, hat sie mir nicht nur nicht geholfen, sondern mich auch noch heruntergeputzt, weil ich überhaupt in Bedrängnis war.
Sie war die jüngste von 4 Kindern, im Krieg geboren, hat in der ganzen Straße die Jungs verprügelt. Ich bin die ältere von 2, mein Bruder ist 4,5 Jahre jünger, und ich wurde eher überbehütet. Ist es meine Schuld, dass ich mich mit 11 nicht gegen 3 14-jährige wehren konnte?

Ich bin nicht konfirmiert, weil ich Angst hatte, mit denen auf Konfifreizeit zu müssen. Da habe ich aber nicht mehr um Hilfe gebeten, überhaupt hab ich mich nie mehr meinen Eltern anvertraut. Auch nicht, als ich mit 16 sehr labil und down war. Da bin ich dann in eine Beziehung mit einem 30 J älteren Mann geflohen und war nach der Ausbildung lange im Ausland (daher erst nach der Trennung mit 33 den Traumman getroffen und mit 35 geheiratet)

Auch heute würde ich mir eher die Zunge abbeissen, als meiner Mutter irgendwas anzuvertrauen. Ich habe andere Menschen dafür gefunden.

Und ich habe mir geschworen, sollte uns noch das Glück von Nachwuchs jemals beschieden sein, ich werde nie nie nie nie einen Hilferuf ignorieren und mein Kind dafür niedermachen.

Ich arbeite die Sachen weitgehend in meinen Kurzgeschichten auf, weil ich auch keine Lust habe, mit meiner Mutter zu reden. Sie hat immer Recht und man muss sie bedaueren weil sie den Krieg erlebt hat. Eine eigene Meinung zu vielen Sachen darf ich heute, mit 39, noch nicht haben. Also bleib ich bei neutralen Themen.

Sorry fürs zutexten, aber weil Ihr schon mal bei dem Thema wart...
Liebe Grüße
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Heuteohne

Beitrag von Heuteohne »

Liebe Stella und alle andere,

ein Aufarbeiten der Vergangenheit, meine "verlorene Kindheit", meine Probleme, die ich heute noch deshalb rumtrage - KEIN Drandenken, daß ich so etwas mit meiner Mutter besprechen könnte. Ich muß Dir recht geben. Ich bin mittlerweile auch 39 Jahre und schaffe es heute teilweise nicht, meiner Mutter die Stirn zu bieten. Nur eine Therapie hat es erreicht, daß ich wenigstens damit leben kann.

Ich war die Älteste von drei Schwestern. Meine Mutter ging arbeiten und war deshalb natürlich schon schwer gefordert. Verständlich, daß ich als Älteste den Haushalt schmeissen und den gesamten Familien-Einkauf schmeissen musste - auch wenn ich erst 8 Jahre alt war. Aber Fehler durften halt keine passieren. Bei jeder kleinsten Kleinigkeit setzte es Hiebe - mit dem Schürhaken, mit Gummischläuchen und spitzen Pantoletten, vom Fleischklopfer ganz zu schweigen. Oft so schlimm und lange, daß mich mein Vater unter ihr wegzog, weil er Angst hatte, sie würde mich umbringen. Ich habe mich während ihrer Schläge irgendwann nicht mehr gewehrt. Ich hatte keine Kraft mehr und ich dachte nur: "Jetzt - jetzt mußt Du sterben" Sie schlug mich oft so lange, bis sie völlig erschöpft war davon. Bis ich 17 Jahre alt war ging das so. Da hatte ich das erste Mal den Mut ihr entgegenzutreten. Während Sie den Gummischlauch schwang stand ich nur da und schaute sie an. Ich hatte keine Angst mehr. Ich sagte nur: "Mutti, schlag zu - wie Du es ja immer schon getan hast" Das hat sie erstmal geschockt. Wenn ich ehrlich bin - meine Kindheit bringe ich nur mit Schlägen in Verbindung. Und.... alle, wirklich ALLE haben es mitbekommen: Lehrer, Verwandte, Bekannte - Keiner hat etwas unternommen. Ich fühlte mich einfach nur minderwertig und schlecht. Auch wegen ihrer Worte: Du bist nichts als ein Miststück, Du widerliche Schlampe, Du unwürdige Kreatur - wie gesagt: Das hörte ich schon so lange, daß ich mich gar nicht erinnern kann, wann es das erste Mal war.

Meine Mutter wurde als Kind auch sehr viel von ihrem Vater verprügelt. Das hat sie dann hauptsächlich an mich weitergegeben. Ich will ja nicht überheblich klingen, aber ich bin stolz, dass ich meine (manchmal sehr aggressiven) Gefühle beherrschen kann. Ich weiß SICHER, daß ich dass meinem kleinen Süssen nie antun werde. Das bin ich ihm schuldig und mir tut es gut. Es tut gut, zu spüren, daß es auch anders geht - trotz der besch......... Kindheit. Ich möchte mein Kind später mal sagen hören: "Ich hatte eine tolle Kindheit", so wie ich es damals von vielen meiner Freundinnen gehört habe. Klar mache ich auch Fehler in der Erziehung und manchmal muß man einfach hart sein - aber damit kann ich leben. Würde ich mein Kind psychisch oder physisch misshandeln - damit könnte ich niemals in Ruhe leben.

Heute will meine Mutter von all dem nichts mehr wissen. Sie meint nur, daß ich es halt nicht leicht hatte und sie ja wohl den größten Stress überhaupt hatte. Nun ja - so kann man es auch ausdrücken.

Wow, das ist das erste Mal, daß ich es öffentlich niederschreibe! Ich danke Euch, daß man auch so etwas mal loswerden darf!
Schnellchen
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Beitrag von Schnellchen »

Heuteohne hat geschrieben: Heute will meine Mutter von all dem nichts mehr wissen. Sie meint nur, daß ich es halt nicht leicht hatte und sie ja wohl den größten Stress überhaupt hatte. Nun ja - so kann man es auch ausdrücken.
Joh - den Spruch kenne ich auch zur Genüge und mein Schicksal gleicht dem Deinen, nur dass ich keinen Vater hatte, der mich unter meiner Mutter weg zog und das ich Einzelkind war.

Heute bin ich froh, KEINEN Kontakt mehr zu meiner Mutter zu haben. Die Frage nach dem Warum wird wohl nie beantwortet werden und im Verdrängen scheint deine und auch meine Mutter sehr erfolgreich zu sein.

Gegen meine Tochter habe ich nie die Hand erhoben und bin stolz darauf, es auch anders gemanagt zu haben als mit Schläge. Ich denke mal, dein Sohn und auch mein Tochter werden später sagen können, dass sie eine schöne Kindheit hatten; und damit haben wir unsere Vergangenheit dann auch erfolgreich bewältigt.

Verdrängt hat man es über Jahre, es ist ja normal gewesen, was die Mutter da mit einem machte, gehörte einfach zum Leben dazu und wurde nicht in Frage gestellt.

Das letzte Mal wollte meine Mutter mich schlagen, da war ich 18 und da kam von mir ebenfalls die Gegenwehr - nach dem Motto "Schlag zu, aber rechne auch mit meiner Gegenwehr". Auch sie war damals sehr erschrocken, hat es nicht mehr gemacht und von dem Tag an hatte ich endlich Ruhe vor ihr.

Ich rede / schreibe da auch nicht allzu oft drüber, aber ab und an tut es gut, wenn es raus kommt. Heute stehe ich dem ganzen gelassen gegenüber und habe mit dem Kapitel endlich abgeschlossen.
Lieber Gruß
Iris





Gast

Beitrag von Gast »

Test
Gast

Beitrag von Gast »

Hallo
Eure Berichte haben mich schockiert. So schlimm war meine Kindheit nicht. Aber eben nicht vergessen kann ich, als Mutter meinen Hintern mit dem Teppichklopfer jeweils windelweich schlug, wenn ich mal wieder was angestellt habe. Das Problem war wahrscheinlich, dass ich eben zuviel Freiheiten hatte und als es dann überbordete, rastete Mutter aus und schlug mit einer Brutalität zu, die kaum zu überbieten war. Mit so ca. 13 Jahren schlug ich zurück und sie beschimpfte mich hinterher als Drecksohn, der seine Mutter schlägt. Ich fühlte mich hinterher mies, aber seit dieser Zeit schlug sie und ich nie mehr zu.
Heute bin ich selber Vater und Mutter wohnt noch im selben Haus. Sie beklagt sich oft, warum ich ihr meinen kleinen Sohn sowenig überlasse...Sie kriegt ihn jeweils nur kurz, wenn ich in der Nähe bin...
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Stella38
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Beitrag von Stella38 »

Dieses Forum ist dazu da, dass man sich das mal von der Seele schreibt, und für Leute, die es noch nie getan haben, ist es ein erster Schritt Richtung Bewältigung.

Meine Oma hat immer wieder erzählt wie sie ihre 2 ältesten mit dem Kochlöffel verprügelt hat, weil sie die mühsam fürs Abendessen aufbewahrten Sachen gegessen hatten und die Kleinen nix mehr hatten, es war Krieg. Es hat ihr hinterher total leid getan.

Ich hab auch noch zig mal Sprüche von meiner Mutter im Ohr Stil "Ich hau dich windelweich" oder "Gleich kriegst du einen Grund zu heulen". Hab einige Male den Popo voll bekommen, für Nichtigkeiten. Aber nur solange ich kleiner war.

So eine Prügelmutter wie ihr beschreibt war sie nicht, aber abgekriegt hab ich es schon manchmal. Eine Erinnerung hab ich: im Schwimmbad, mit Freunden oder Tante und Cousine, weiß nicht mehr. Wir fragen nach Eis. Mutter: "Ich hab kein Geld, wo Eis drauf steht" Ich: "Aber Geld, wo Zigaretten drauf steht, hast du" Bums hatte ich eine auf den Mund gehauen bekommen. Das war ohnehin noch so ein Spruch "ich hau dir gleich auf den Mund" wenn ich es mal wagte eine Meinung oder einen Wunsch zu haben.

Sie hat mich mal durchs Haus gejagt um mir eine zu wischen. Meine Cousine ist da heut noch geschockt davon (ich weiß es kaum noch) obwohl sie viel Schlimmeres erlebt hat, wurde nämlich vom eigenen Vater missbraucht und ihre Mutter wusste es und hat nix gemacht. Um den Anschein der heilen Welt nicht zu stören. Ist übrigens die älteste Schwester meiner Mutter.

Vielleicht sollte ich versuchen mit ihr zu reden, aber ich hab keine große Lust. Sie ist ja eh an nix schuld und muss wg. dem Krieg bedauert werden.
Ich verarbeite das jetzt schreibenderweise und indem ich mein Leben so lebe, wie ich das möchte.

Danke fürs zulesen übrigens, all ihr anonymen Gasts und Schnellchen und Sanne und wer sonst noch Mütterprobleme hat.
Liebe Grüße
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Sanne
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Beitrag von Sanne »

ein virtuellen knuddel :knuddel: für alle, die eine schwere kindheit hatten und einen extra-knuddel :knuddel: für meine liebe Stella :) auch wenn Sie es vielleicht nicht ganz so schwer hatte, wie manche hier, aber das ist alles relativ :???:

liebe grüsse von Sanne
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Stella38
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Beitrag von Stella38 »

Danke Sanne! :knuddel: Du hast ja auch Deinen Teil Unerfreuliches gehabt.
Wenn wir trotzdem Liebe weitergeben können, haben wir die Vergangenheit überwunden. Fehler macht jeder. Aber man muss nicht die gleichen machen, und vor allem die Gewalt weglassen!
Liebe Grüße
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Schnellchen
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Beitrag von Schnellchen »

Stella - weißt du - bislang dachte ich immer, ich würde allein da stehen, aber seit diesem Ordner weiß ich, dass alle Mütter sich in der Beziehung gleichen. Sie haben nichts gemacht, und wir müssen Mitleid mit ihnen haben.

Sprechen darüber - vergiss es - hab ich divese Male probiert. Ich habe ihr auch mal einen sehr langen Brief geschrieben, in dem ich WIRKLICH sachlich alles runterschrieb, was mich bewegte und sie bat, sich die Zeit zu nehmen, mir Antworten zu geben. Ich habe ihr nie einen Vorwurf gemacht; ich wollte nur Antworten. Aber - wie oben - vergiss es. Sie verdrängen es und haben es nicht getan. Ich wurde gar als Lügnerin dargestellt. Ja.. sind denn unsere Erinnerungen falsch und nur die unserer Mütter / Väter richtig??? Ich denke nicht. Heute fahre ich ohne Kontakt zu ihr sehr gut; ich habe verarbeitet, habe viele Gespräche geführt über das was passiert ist und habe festgestellt, dass wir damit nicht allein stehen.

Eine Entschuldigung ist der Krieg bestimmt nicht; auch wenn unsere Mütter es da schwer hatten, wobei meine 9 Jahre alt war, als der Krieg aufhörte :o ... Auch ansonsten versuchen sie immer wieder sich rauszureden mit zu viel Arbeit und und und. Das zählt für mich nicht mehr.

Ich weiß, was ich erlebt habe und ich weiß, dass meine Wahrheit die richtige Wahrheit ist. Sie tut mir leid, weil sie dadurch keine Tochter mehr hat - aber interessiert sie es wirklich? Sie hat ja ihre Hunde und soll sie damit glücklich werden; die stellen ihr Verhalten wenigstens nicht in Frage 8)

Ich denke auch, dass ich da nie wieder anonym drüber reden / schreiben muss, denn dieser Fehler liegt eindeutig nicht bei mir, sondern bei ihr; und genau so solltest du und auch alle anderen hier es auch sehen. Die Mütter / Väter haben nicht immer Recht und ihre Sichtweise ist meistens eine verdrängte Sichtweise.

Wenn du es verarbeitest, in dem du Geschichten schreibst, ist es doch gut; vielleicht gibst du ihr irgendwann die Geschichten zu lesen; aber ob sie dann "sichtig" wird? Ich denke eher nicht.

Dir und auch allen anderen "Geschädigten" einen lieben :knuddel: und wir machen es besser *dd*
Lieber Gruß
Iris





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Stella38
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Beitrag von Stella38 »

Danke Iris!

Wir haben Kontakt, aber über persönliche Sachen rede ich nicht mehr. Mir hat es gestern abend gereicht welche Einwände sie für unseren geplanten Hauskauf aufgebracht hat. Sie weiß alles und alles besser. Man sieht ja wie toll sie ihr Leben im Griff hat (Angstneurose). Bin sicher auch ich dran schuld.
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