JBB hat geschrieben:@Fiducia
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen!
Hallo Bea,
jetzt habe ich etwas mehr Zeit und Kraft um zu antworten.
Hatte auch überlegt ob es wirklich sinnvoll ist im Forum zu antworten oder in einer PN, immerhin handelt es sich hier ja nicht um ein Theologie-Forum. Musste mir ja neulich erst den Vorwurf gefallen lassen, dass ich auf unerträgliche Christenart missioniere oder so ähnlich. Antworte jetzt trotzdem hier, weil ja auch noch andere mitlesen, die vielleicht interessiert, was ich zu deinen Fragen sage. Aber Achtung: es ist lang geworden und ich zitiere gelegentlich aus der Bibel, weil das meine Erkenntnisgrundlage ist.
JBB hat geschrieben:
Ich gehe nicht davon aus, dass alles von Gott vorherbestimmt ist
Sondern? Nur ein Teil? Welcher denn und nach welchen Kriterien geschieht das? Es ist ja nicht definitiv so, dass die Guten auf dieser Erde belohnt werden, also hat Gott ein anders System?
Über diese Frage zerbrechen sich Theologen seit Jahrhunderten die Köpfe.
Ich gehe nach dem Zeugnis der Bibel davon aus, dass Gott allwissend und allmächtig ist. Als der Schöpfer steht er der Welt gegenüber und über der Zeit. D.h. er weiß was geschieht, auch in der Zukunft, aber er bestimmt es nicht in dem Sinne voraus, dass wir Menschen nur Marionetten wären, nicht anders handeln könnten, ... Wäre es so, könnte kein Mensch für seine Schandtaten zur Rechenschaft gezogen werden, weder von einem weltlichen Gericht noch von Gott.
Ich bin davon überzeugt, dass Gott die Geschicke der Welt nicht vorherbestimmt (außer der Tatsache, dass diese Welt ein Ende hat) sondern lenkt in dem Sinne, dass er mal ganz grundsätzlich dem Menschen den Auftrag gegeben hat, diese Welt zu gestalten, zu bebauen und zu bewahren. D.h. er lässt den Menschen machen, hat ihm die Freiheit gegeben. Gott kann aber jederzeit eingreifen, wenn er das möchte. Sein Eingreifen ist aber m.E. nicht vorherbestimmt, sondern kann z.B. durch Gebete der Menschen veranlasst werden.
Nach meinem Verständnis der Bibel vorherbestimmt ist, dass jeder Mensch einmal sterben muss und danach sich vor Gottes Gericht verantworten. Vorherbestimmt bzw. durch die erste fatale Entscheidung festgelegt ist nach dem Zeugnis der Bibel auch, dass jeder Mensch von Natur aus dem Gericht Gottes anheim fällt. Dagegen steht aber, dass Gott will, dass allen Menschen geholfen wird, und sie zur Erkenntnis der Wahrheit (= Jesus) kommen. Das heißt wiederum, dass Gott keinen Menschen zur Hölle vorherbestimmt. - Calvinisten sehen das anders, aber ich bin Lutheraner - so viel zum Streit der Theologen. „Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus.” 1 Thessalonicher 5:9
JBB hat geschrieben:An anderer Stelle hast du geschrieben, dass man Gott für das Gute danken sollte (Stichwort Beten). Dankst du Gott dann auch für das Schlechte was dir widerfährt? Denn es geschieht doch alles nach Gottes Plan?
Zugegeben, für das Schlechte zu danken fällt mir eher schwer, aber ja, ich versuche immer wieder dahin zu kommen, denn: Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. (Römer 8,28) - Mein Mann hilft mir dabei, er kann das meist viel schneller als ich.
Ich überlege gerade, wie viel wirklich Schlechtes mir bisher geschehen ist, und komme auf gar nicht so viel: Die Fehlgeburt konnte ich nur sehr schwer und lange gar nicht dankbar von Gott annehmen auch weil in derselben Zeit mein Großvater verstorben ist. Mein Mann konnte das sofort dankbar akzeptieren, einer seiner Kommentare war: Jetzt wissen wir immerhin, dass wir schwanger werden können. - Auch ein Grund zum Danken ... Auch in meiner langen Singlezeit gab es Tage, an denen es mir sehr schwer fiel das zu akzeptieren, wo Gott mir doch hätte längst einen Partner schenken können. Ich konnte nach vielen Kämpfen und Tränen aber mit der Zeit zu einem ganzen "Ja" zu dieser Lebensführung finden und weiß im Nachhinein, dass ich halt auf meinen jetzigen Mann warten musste.
JBB hat geschrieben:Wenn aber der Glauben der Maßstab Gottes ist, an dem ich als Mensch gemessen werde: Warum hat er mich dann mit einem Verstand ausgestattet? Je mehr ich darüber nachdenke, umso weniger verstehe ich das Ganze. Oder anders gefragt: Wie soll ich etwas glauben, was sich meinem Verstand nicht erschließt?
Wenn also die Aussagen meines Verstandes und meines Gefühles sagen, dass ich nicht an Gott glaube, dann habe ich eben "Pech" gehabt?
Glaube und Denken schließen sich doch nicht aus, oder?
Nach meinem Verständnis heißt glauben im Sinne der Bibel vertrauen, sich anvertrauen. - Habe dazu mal ein gutes Beispiel gehört: Ich kann viel über Aerodynamik wissen, auch über Flugzeugbau, aber letztlich braucht es immer ein Stück Vertrauen, mich ins Flugzeug zu setzen - Vertrauen in die Technik, den Piloten, die Umstände. So ähnlich ist es für mich mit dem Glauben an Gott: Ich kann vieles wissen, vieles mit dem Verstand zu ergründen versuchen, aber an einer letzten Stelle bleibt es mir nicht erspart, dass ich dem Wort Gottes vertraue und mich ohne greifbare Beweise darauf einlasse. Diese "letzte Stelle" ist für mich die Frage nach der Sündhaftigkeit des Menschen und dem Gericht Gottes, sowie die Frage nach der Erlösung durch den stellvertretenden Tod und die Auferstehung von Jesus und die Frage ob es nach dem Tod weitergeht.
Es gibt übrigens Wissenschaftler, die durch ihr Nachdenken und Ergründen zum Glauben gekommen sind, weil sie gemerkt haben, dass es hinter all der Erkenntnis noch etwas anderes, verstandesmäßig nicht greifbares geben muss.
Die biblische Definition für Glauben heißt: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Hebräer 11,1
JBB hat geschrieben:Tja, und was würde mir ein Priester nun raten? Müsste ich mich jetzt (rein theorethisch, wenn ich in den Himmel kommen wollte) zum Glauben "zwingen" und wie geht das?
Zum Glauben zwingen kann sich niemand, auch nicht aus sich selbst heraus glauben. Der Glaube ist ein Geschenk Gottes. - Bevor jetzt jemand sagt es sei möglicherweise ungerecht, falls Gott nicht jedem den Glauben schenkt: (man verzeihe mir die Bibelzitate)
1.
Gott will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung, daß dies zu seiner Zeit gepredigt werde. 1 Timotheus 2:4-6
und:
Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Johannes 3,16
=> Gott will, dass alle Menschen errettet werden indem sie an Jesus glauben - allerdings drängt er den Glauben nicht auf, sondern lässt dem Menschen die Freiheit sein Geschenk abzulehnen
Anm.: Weil wir hier ja mit dem Thema Taufe begonnen hatten: Ich glaube, dass Gott bereits in der Taufe des Kindes den Glauben einpflanzt, der dann genährt werden muss. Später kann der Mensch den Glauben ablehnen, seine eigenen Wege gehen. Bei Ungetauften gilt, dass Gott den Glauben durch sein Wort schenken will (durchs Hören oder Selberlesen)
2. Wenn du mit deinem Munde bekennst, daß Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, daß ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. Denn die Schrift spricht: »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« Es ist hier kein Unterschied [...]; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden«. Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? [...] Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht: »Herr, wer glaubt unserm Predigen?«
So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi. Römer 10:9-17 1.
3. Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch:
Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. Epheser 2:8-9
=> Glaube ist ein Geschenk Gottes, wir können ihn uns weder verdienen noch selbst aneignen.
4. Aber: Was wir tun können ist, dass wir Gott suchen, uns für ihn öffnen, z.B. indem wir damit beginnen in der Bibel zu lesen (ich würde für Anfänger die Evangelien, Jesus-Geschichten, empfehlen) und mal so tun als ob es Gott gäbe und er uns hören würde, wenn wir ihn bitten, dass er uns erkennen lässt, sich uns offenbart. – Gott verspricht: „Wenn ihr mich von Herzen suchen werdet, will ich mich von euch finden lassen.“
Nur kurz zum Verständnis, du glaubst also: Gott KÖNNTE also, wenn er WOLLTE, jederzeit hier in Handlungen auf der Erde eingreifen?
Ja.
Wenn es aber zu seinem Plan dazugehört, Kinder absichtlich sterben zu lassen, dann kann es auf jeden Fall kein GUTER Plan sein. Die Christen können ja behaupten, Gott sei allmächtig. Aber wenn sie behaupten, er sei ein lieber Gott, dann muss ich energisch widersprechen!!!
Meine ehrliche Meinung? Gott ist kein lieber Gott – er ist die Liebe, aber nicht „lieb“ in dem Sinne, wie wir es uns oft vorstellen. Gott ist heilig, er ist auch zornig und eifersüchtig, er ist der Richter, aber er ist eben auch die Liebe. Und Liebe drückt nicht immer die Augen zu, sie muss strafen, erzieht, muss manchmal negative Erfahrungen machen lassen, … aber letztlich nimmt sie den anderen an wie er ist. Wie Gott das tut, kann man aus dem zweiten oben genannten Bibelzitat entnehmen.
Ich kann dir jetzt mal an dieser Stelle sagen: Wenn MEINEM Kind etwas Schlimmes widerfahren würde und ich an Gott GLAUBEN würde, dann würde ich sicher durch diesen Schicksalsschlag nicht NOCH gläubiger werden! [...]
Ich würde JEDEM, der meinem Kind schlimmen Schaden zuführen würde, sonst was antun wollen und wenn ich erfahren würde, das Gott sogar verantworlich sei für diesen Schicksalsschlag, dann würde ich garantiert nicht scharf darauf sein, in der Ewigkeit bei ihm zu sein. Dann schmore ich lieber in der Hölle!
Warum sollte Gott für das Schlimme, das deinem Kind zustößt, verantwortlich sein?
In der Regel sind Menschen oder Umstände dafür verantwortlich, der betrunkene Autofahrer, der Amokläufer, der Pädophile, manchmal sogar die Unachtsamkeit von uns Eltern… - Was hat Gott damit zu tun? Meinst du, er ist verantwortlich wenn er es nicht verhindert? - Umgekehrt gefragt: Warum sollte Gott der Retter in der Not sein für Menschen, die sonst nie nach ihm fragen? - Was aber nicht heißen soll, dass er nicht auch bei diesen Menschen schützend und bewahrend handelt.
Ich bin froh darüber, dass ich Gott jeden Tag darum bitten kann, dass er auf meine Kinder aufpasst, ihnen seine Engel schützend an die Seite stellt. Trotzdem habe ich keine Garantie, dass ihnen nichts geschieht, werde ich sie zur Wachsamkeit und Vorsicht erziehen und selbst das mir Mögliche beitragen. Wie ich damit umgehen werde, wenn ihnen trotzdem etwas Schlimmes zustößt - ich weiß es nicht, kann nur hoffen, dass Gott mir gerade in diesen dunklen Zeiten den Glauben erhält.
Es gibt auch die Fälle, in denen niemand sichtbar verantwortlich ist, ich denke z.B. an den plötzlichen Kindstod. Doch auch da weiß ich nicht, ob man wirklich Gott verantwortlich machen kann. Natürlich werde ich auch Angst haben um unsere Kinder und garantiert jeden Morgen besorgt schauen ob sie noch leben, aber ich werde sie auch abends vertrauensvoll Gottes Hand anbefehlen, damit mich die Sorge nicht zerfrisst.
Ich weiß nur von Christen, deren Kind starb, dass sie es annehmen konnten weil sie wussten, dass es jetzt im Himmel bei Gott ist, dass es keine Schmerzen mehr hat und kein Leid, dass es ihm dort viel besser geht. Sie konnten sagen: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt!“ – Ehrlich gesagt, ich staune über eine solche Haltung auch.
@all
Zum Schluß möchte ich noch auf zwei Aspekte eingehen, die mir in der Diskussion zu kurz gekommen sind, undzwar in Bezug auf die Bibel:
Erstens ist hier noch nicht Stellung bezogen worden auf die Bibelstellen, in denen Ungläubige beschimpft werden. Es wurde im Laufe der Diskussion ja schon mehrmals angesprochn, aber es gab da noch keinen Erklärungsversuch. ...
Zu den Bibelstellen: Habe mich mit den meisten zumindest in letzter Zeit nicht näher beschäftigt. Nur zu der, in der es heißt „Wehe den Schwangeren und Stillenden in jener Zeit …“ – Diese Stelle wurde als Drohung gegenüber diesen Frauen dargestellt. Das war es aber nicht, sondern eine warnende Aussage. Jesus spricht im Zusammenhang über die Zerstörung Jerusalems, die ja 70 n.Chr. wirklich stattfand. Interessant ist, dass viele Menschen damals in die Stadt flüchteten, weil sie sich dort sicher glaubten. Wer aber Jesu Worte im Ohr hatte, der floh aus der Stadt in die Berge – und diese Menschen überlebten. Es ist doch klar, dass es den Schwangeren und Stillenden in jenen Kriegstagen und auf der Flucht nicht so gut erging, ging es den Schwangeren aus Ostpreußen im 2. Weltkrieg auch nicht. Also – nach meinem Verständnis keine Drohung, sondern lediglich ein Hinweis an eine Menschengruppe, die unter Kriegszuständen besonders leidet.
So, jetzt ist das sehr lange geworden, aber ich wusste nicht wie ich mich kürzer fassen sollte.
Grüße dich herzlich,
Fiducia