@Tina, hier der Bericht, der heute erschienen ist...
*****************************************
Appell an Politiker: "Nachwuchs darf nicht zum Luxusgut werden"
Viernheimerin Melanie Krüger kämpft für Betroffene, die auf künstliche Befruchtung angewiesen sind / Gegen Leistungskürzung
Von unserer Mitarbeiterin Karin Maliske
Viernheim. Endlich ein eigenes Baby in den Armen wiegen - für jedes sechste Paar in Deutschland geht dieser Traum nicht in Erfüllung. Künstliche Befruchtung ist für viele der letzte Rettungsanker. Damit soll jetzt zumindest auf Kassenkosten Schluss sein. Die geplante Gesundheitsreform sieht die Streichung dieser Leistung vor. Für die 28-jährige Melanie Krüger aus Viernheim ein Unding. Per Internet macht sie sich unter "
www.klein-putz.de" für Betroffene stark.
Über 3300 registrierte Benutzer kann dieses vor zwei Jahren gegründete Internet-Forum mittlerweile verzeichnen. Es bietet neben vielen Informationen rund um die ungewollte Kinderlosigkeit, unter anderem von Ärzten, Biologen und Kostenexperten, auch die Möglichkeit zum Austausch für Betroffene. Ein knuddeliger Stoffbär begrüßt die Nutzer auf der Startseite, alle Infos werden ständig aktualisiert.
Aber nicht nur am Computer kämpft Melanie Krüger gegen die Sparpläne der Gesundheitsministerin. Wer am 2. Juni abends den Fernseher eingeschaltet hatte, konnte die zierliche rothaarige Frau mit sehr viel Entschlossenheit vor der Kamera erleben. Immer sei es ihr sehnlichster Wunsch gewesen, Kinder und Familie zu haben, erzählte sie den Reportern des ZDF-Magazins WISO. Dass ihr die letzte Möglichkeit dazu nach allen vergeblichen Versuchen, auf normalem Weg ein Baby zu bekommen, jetzt auch noch erschwert bis unmöglich gemacht werden soll, kann und will sie nicht akzeptieren.
Zwischen vier- und fünftausend Euro müssen kinderlose Paare für eine entsprechende Behandlung rechnen. Bis jetzt hat das die Kasse übernommen. Die Erfolgsquote liegt bei fünfzig Prozent, jedes 80. Kind in Deutschland kam mittlerweile dank einer der unterschiedlichen Methoden einer künstlichen Befruchtung zur Welt.
Das fängt bereits bei der Verabreichung von Stimulantien an, umfassen auch die Behandlung des männlichen Partners. So ist zum Beispiel mangelnde Spermienqualität infolge negativer Umwelteinflüsse ein zunehmender Grund für ungewollte Kinderlosigkeit - die von der Weltgesundheitsorganisation WHO offiziell als chronische Erkrankung anerkannt ist, häufig auch schwerwiegende psychische Folgen hat.
weitere informationen
Wer keinen Internet-Zugang hat, sich aber für das Thema interessiert, kann sich unter Telefon 91 18 41 direkt mit Melanie Krüger in Verbindung setzen.
"Mit Klonen oder ähnlichen Horrorvisionen hat das gar nichts zu tun": Melanie Krüger weiß, mit welchen Vorurteilen bis hin zur völligen Tabuisierung das Thema künstliche Befruchtung belastet ist. Hier aufzuklären, Vorurteile abzubauen, um Verständnis für die Betroffenen zu werben, das ist neben dem Kampf um die Beibehaltung der Kassenfinanzierung eines der Hauptziele der sympathischen Viernheimerin.
"Das Thema muss öffentlich werden", davon ist sie überzeugt, denn ohne Verständnis für die Problematik wird es auch keine Unterstützung geben. Die ist umso wichtiger, als sie nicht nur Hilfe für viele Betroffene bedeutet, sondern die Reformpläne von Ministerin Schmidt in puncto künstliche Befruchtung auch gesellschaftspolitischen Zündstoff enthalten.
"Auf der einen Seite jammern alle, dass zu wenige Kinder, sprich spätere Rentenzahler, geboren werden, auf der anderen Seite will man die Möglichkeit nehmen, genau das zu tun", kritisiert Krüger. Auch Ex-Minister Seehofer sprach sich bereits vehement gegen die Streichung der künstlichen Befruchtung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aus. Zumal die Ausgaben aller Kassen dafür im Jahr 2001 nur 0,1 Prozent der Gesamtausgaben betrugen. "Wenn sich manche Betroffene diese Behandlung nicht mehr leisten können, wird Nachwuchs zum Luxus" - für Melanie Krüger ist das die bittere Konsequenz.
Briefe an die im Bundestag vertretenen Fraktionen und - auf deren Rat - an die lokalen Abgeordneten sind ein weiteres Mittel, mit dem Melanie Krüger und ihre Mitstreiter von "klein-putz.de" fast schon verzweifelt versuchen, die geplante Streichung doch noch zu verhindern. Reagiert hat mit einigen Wochen Verzögerung bislang lediglich Dr. Michael Meister. MdB Christine Lambrecht hat bis jetzt nicht geantwortet.
Demnächst soll in Berlin die Entscheidung fallen, bis zum letzten Tag wird Melanie Krüger den Kampf um den Erhalt der künstlichen Befruchtung als Kassenleistung nicht aufgeben. "So vieles wird vom Staat bezahlt, nur das Normalste von der Welt nicht" - ihr Kopfschütteln wirkt nicht resigniert, sondern sehr entschlossen.
© Südhessen Morgen - 05.07.2003